Weisheit ist mehr als Wissen. Weisheit zieht aus dem Wissen die richtigen Schlüsse für sinnvolles Handeln.
Nach biblischem Verständnis geschieht sinnvolles, weises Handeln durch ein inneres Hören auf Gott und ein Fragen nach Gottes Willen.
Darum heißt es mehrfach in der Bibel: „Die Furcht des HERRN ist der Anfang der Weisheit.“ Es geht hier nicht um eine Angst vor Gott, sondern um Ehrfurcht und Respekt vor Gott, um Aufmerksamkeit gegenüber Gott. „Die Furcht des HERRN ist der Anfang der Weisheit.“
Unser Predigttext für heute handelt der Weisheit Salomos, die geradezu sprichwörtlich geworden ist. Darum hat man Salomo auch das Weisheitsbuch der Sprüche zugeschrieben. Mit dem König Salomo erreichte das Königtum seinen Zenit in Israel.
Salomo sicherte das von seinem Vater David übernommene Großreich durch Festungsbauten. Er heiratete Frauen aus den Nachbardynastien, vor allem aus dem ägyptischen Königshaus. So standen ihm mächtige Verbündete an der Seite. Der Erfolg und Reichtum Salomos zeigt sich auch darin, dass er in Jerusalem einen prächtigen Tempel und einen Palast erbauen ließ. Dazu holte er sich kundige Bauleute aus Ägypten und anderen Ländern. Der Handel blühte. Am Roten Meer ließ Salomo einen Hafen bauen für seine eigene Handelsflotte.
Durch die internationalen Beziehungen spielte die Beschäftigung mit der Weisheit eine bedeutende Rolle. Gelehrte kamen an den Königshof in Jerusalem. Sie beschäftigten sich vor allem mit naturkundlichen Fragen. Die internationale Zusammenarbeit der Wissenschaftler auf allen möglichen Gebieten ist in der Forschung heute genauso ein Thema. Durch den Austausch von Gedanken, Erkenntnissen und Ideen schreitet die Wissenschaft voran. Abschottung führt eher zu Stagnation.
Das 1. Königsbuch beschreibt die Herrschaft Salomos aber alles andere als ruhmreich. Salomo, der zweite Sohn von David und Batseba, kommt durch Intrigen an die Macht. Er lässt seine Gegner ermorden. Und trotzdem. Obwohl seine Herrschaft blutig begann, wurde Salomo, was sein Name versprach: ein König des Friedens (Schalom, Schalomo), der sein Land gerecht und weise regierte.
Es klingt fast wie in einem Märchen, wo jemand drei Wünsche frei hat. Denn es wird erzählt, dass Gott nicht durch einen Propheten, sondern in einem Traum zu Salomo spricht: Bitte, was ich dir geben soll!
Weil Salomo noch jung und unerfahren ist, erbittet er von Gott ein hörendes Herz, damit er erkenne, was Recht und was Unrecht ist und das Volk gerecht richte.
Weil Salomo nicht um Reichtum oder ein langes Leben bat, erfüllte Gott seine Bitte und gab ihm ein weises Herz – und Reichtum, Ruhm und langes Leben obendrein.
Im Lauf der Zeit wurde diese Erzählung vom Regierungsantritt Salomos von frommen Gelehrten angereichert mit Merkmalen für einen guten König. Der König muss die Gebote Gottes und den Willen Gottes achten. Dann geht es ihm und dem Volk gut. Der König muss sich um die Schwachen kümmern. Er soll wahrnehmen, wie es der Basis im Volk geht. Das klingt sehr aktuell. Gute Politiker nehmen die Befindlichkeiten, die Nöte und Sorgen der Bevölkerung ernst und setzen sich für die Menschen ein und bekämpfen Korruption. Wo das nicht geschieht, verlieren Politiker in einer Demokratie an Zustimmung. Oder in einer Diktatur handeln sie gegen das eigene Volk.
Salomo war als König auch oberster Richter. Er musste für Frieden und Gerechtigkeit im eigenen Land sorgen. Dazu gehörte, dass er auch den Schwachen und Rechtlosen zu ihrem Recht verhalf.
Das wird an einem Beispiel von zwei Frauen gezeigt, die als Huren keine gesellschaftliche Anerkennung genossen. Der König hört sie ebenso an wie jeden anderen. Ja, er gibt ihnen sogar vor den anderen den Vortritt. Da es für den nächtlichen Zwischenfall keine weiteren Zeugen gibt, sieht sich Salomo zu einem gewagten Vorgehen gezwungen. Ich lese 1. Kg. 3, 16-28:
16 Zu der Zeit kamen zwei Huren zum König und traten vor ihn.
17 Und die eine Frau sprach: Ach, mein Herr, ich und diese Frau wohnten in "einem" Hause und ich gebar bei ihr im Hause.
18 Und drei Tage nachdem ich geboren hatte, gebar auch sie. Und wir waren beieinander und kein Fremder war mit uns im Hause, nur wir beide.
19 Und der Sohn dieser Frau starb in der Nacht; denn sie hatte ihn im Schlaf erdrückt.
20 Und sie stand in der Nacht auf und nahm meinen Sohn von meiner Seite, als deine Magd schlief, und legte ihn in ihren Arm, und ihren toten Sohn legte sie in meinen Arm.
21 Und als ich des Morgens aufstand, um meinen Sohn zu stillen, siehe, da war er tot. Aber am Morgen sah ich ihn genau an, und siehe, es war nicht mein Sohn, den ich geboren hatte.
22 Die andere Frau sprach: Nein, mein Sohn lebt, doch dein Sohn ist tot. Jene aber sprach: Nein, dein Sohn ist tot, doch mein Sohn lebt. Und so redeten sie vor dem König.
23 Und der König sprach: Diese spricht: Mein Sohn lebt, doch dein Sohn ist tot. Jene spricht: Nein, dein Sohn ist tot, doch mein Sohn lebt.
24 Und der König sprach: Holt mir ein Schwert! Und als das Schwert vor den König gebracht wurde,
25 sprach der König: „Teilt das lebendige Kind in zwei Teile und gebt dieser die Hälfte und jener die Hälfte.“
26 Da sagte die Frau, deren Sohn lebte, zum König - denn ihr mütterliches Herz entbrannte in Liebe für ihren Sohn - und sprach: „Ach, mein Herr, gebt ihr das Kind lebendig und tötet es nicht!“ Jene aber sprach: „Es sei weder mein noch dein; lasst es teilen!“
27 Da antwortete der König und sprach: Gebt dieser das Kind lebendig und tötet's nicht; die ist seine Mutter.
28 Und ganz Israel hörte von dem Urteil, das der König gefällt hatte, und sie fürchteten den König; denn sie sahen, dass die Weisheit Gottes in ihm war, Gericht zu halten.
Liebe Gemeinde!
An der Mutterliebe erkennt Salomo die wahre Mutter. Luther übersetzt hier: „Denn ihr mütterliches Herz entbrannte“.
Im Hebräischen steht hier das Wort „Rachamim“. Rachamim bezeichnet die Gebärmutter. Damit wird hier sprachlich betont, dass es um die Liebe der Mutter zur Frucht ihres Mutterschoßes geht. Um die Liebe zu dem Kind, das sie ausgetragen und geboren hat.
Mit demselben Bild „Rachamim“ wird im Alten Testament die Liebe und Barmherzigkeit Gottes beschrieben.
Gott hat Erbarmen mit uns und fühlt für uns wie eine Mutter um ihr Kind fühlt und das Beste für ihr Kind will.
Machen wir uns bewusst: Gott hat dem Salomo ein hörendes, ein weises Herz gegeben.
Darum spiegelt sich in dem salomonischen Urteil auch Gottes Gerechtigkeit und seine Barmherzigkeit. Gott nimmt sich der Armen und Rechtlosen an. Dazu braucht er Menschen mit einem Herz, das auf ihn hört.
Liebe Gemeinde!
Wir stehen im Leben immer wieder vor Entscheidungen wie Salomo. Es bleibt nicht aus, dass wir auch falsche Entscheidungen treffen und falsche Urteile fällen.
Doch wir können Gott immer wieder um ein hörendes Herz zu bitten – wie Salomo. Um ein Herz, das nach Gottes Willen fragt.
Solches Beten und Bitten verändert vieles. Ich höre genauer hin.
Ich bedenke eine Sache aus verschiedenen Perspektiven. Ich hole mir guten Rat. Die größeren Zusammenhänge kommen in den Blick.
Und ich lerne Geduld, wenn sich etwas nicht so schnell lösen und ändern lässt.
Ich schließe mit dem Gelassenheitsgebet des amerikanischen Theologen Reinhold Niebuhr:
Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann,
und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.
Und der Friede Gottes, der all unser Verstehen übersteigt, bewahre eure Gedanken und Gefühle in der Gemeinschaft mit Jesus Christus.
Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Sommerzeit,
Hans Gernert