Ludwig Steinbauer war am Ende seines Berufslebens ab 1965 Pfarrer in Bürglein. 1975 ging er in Ruhestand. 1909 war er geboren. Als sein Nach-Nach-Nachfolger lernte ihn im Pflegeheim Großhabersdorf kennen. (Nebenbei: Marianne Schaller wurde von seinem Bruder Karl Steinbauer konfirmiert.) In seinem hohen Alter ging Ludwig Steinbauer immer noch die Treppen auf und ab und nutzte bewusst nicht den Fahrstuhl.
Humorvoll konnte er sagen: „Wenns dumm geht, werde ich noch 100.“ Und er wurde sogar noch älter. Fast 102.
Ich hab ihn mit Konfirmanden besucht.
Da erzählte er: „Mein Arzt kann leider nicht viel an mir verdienen, denn ich brauch keine Medikamente.“
Freilich, das Laufen und das Hören ließen nach. Pfarrer Steinbauer nahm es schon bewusst wahr, dass die Alterserscheinungen zunahmen, oder wie Paulus sich ausdrückt, dass der äußere Mensch verfällt.
Aber innen, sein innerer Mensch, blieb frisch.
Ich erinnere mich noch gut daran, wie wir Pfarrer Steinbauer zu seinem 100. Geburtstag mit dem Bürgleiner Posaunenchor ein Ständchen gebracht haben. Als die Bläser ihm anschließend alle gratulierten, kam es zu einer lustigen Szene.
Ein 75-jähriger gab dem 100-Jährigen die Hand. Sie kannten sich von früher. Als dann Steinbauer zum 75-Jährigen sagte: „Was, du spielst immer noch mit?!“, da gab es ein allgemeines Gelächter.
Sie kennen alle den Spruch:
„Man ist so alt, wie man sich fühlt.“
Es gibt weitere, ähnliche Sprüche:
„Ich bin eindeutig zu jung für mein Alter!“
„Ich lass mir doch einer Zahl nicht sagen, wie alt ich bin.“
Klaus sagt zu seinem Kumpel: „Mist ey, ich werd schon 30!“
Der Kumpel: „Man ist nur so alt, wie man sich fühlt.“
Darauf Klaus: „Mist ey, ich werd schon 60!“
Das solls auch geben: dass man sich älter fühlt als man ist…
Aber tatsächlich geht es vielen so, dass sie sich innerlich jung fühlen, selbst wenn das Alters schon seine Spuren hinterlässt.
Manche tun sich auch schwer, zu ihrem Alter zu stehen.
Darum ist man mitunter vorsichtig, eine andere Person nach ihrem Alter zu fragen, um nicht in ein Fettnäpfchen zu treten.
Paulus hat viel mitgemacht auf seinen Missionsreisen. Er ist nicht herumgereist, um es sich gut gehen zu lassen und zu relaxen. Er war getrieben von einem inneren Ruf. Vom Ruf, den auferstandenen Herrn Jesus Christus in aller Welt bekannt zu machen. Damit wird er nicht müde, sagt er. Er geht bis an die Grenzen seiner Kräfte und ist bereit, auch widrige Umstände, Spott, Anfeindungen und Gewalt zu ertragen. Weil er sich mit dem Auferstanden auf ewig verbunden weiß.
Und weil er sich eingebunden weiß in eine Gemeinschaft von Mitchristen.
Es fällt auf, dass unser Text mit einem „Wir“ beginnt:
Wir werden nicht müde; sondern wenn auch unser äußerer Mensch verfällt, so wird doch der innere von Tag zu Tag erneuert.
Denn unsre Trübsal, die zeitlich und leicht ist, schafft eine ewige und über alle Maßen gewichtige Herrlichkeit, uns, die wir nicht sehen auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare.
Denn was sichtbar ist, das ist zeitlich; was aber unsichtbar ist, das ist ewig. (2. Kor. 4, 16-18)
"Wir werden nicht müde." „Wir“. Paulus weiß sich verbunden mit seinem Mitarbeiter Timotheus und mit allen Heiligen in Achaja, im heutigen Griechenland. "Wir werden nicht müde."
Wenn man angefeindet wird, braucht man Rückhalt bei anderen Menschen. Es kostet viel Kraft und Weisheit, mit üblen Nachreden gut umzugehen und gut fertig zu werden.
Im Grunde lässt uns Paulus an dieser Stelle tief in sein Herz blicken.
Er dürfte damals in vorgerücktem Alter gewesen sein, so um die 50. Wenn er davon schreibt, dass unser äußerer Mensch verfällt, dann fließen da sicher eigene Erfahrungen ein: körperliche Leiden, Gebrechen und Krankheit. Welches Leiden Paulus genau meint, wenn er bei sich von einem Stachel im Fleisch spricht, wissen wir nicht.
Paulus bleibt aber nicht bei dieser allgemeinen Erfahrung stehen, dass jeder von uns auch ein Verfallsdatum hat.
Er entwickelt in diesem kurzen Absatz mit wenigen Worten ein christliches Menschen-Bild. Christlich deswegen, weil es von der Auferweckung Jesu her auf unser Leben schaut. Darum sieht Paulus den Menschen und sich selbst nicht allein aus der Perspektive des Verfalls. Vom äußeren Menschen, der verfällt, unterscheidet Paulus den inneren Menschen. Wenn auch unser äußerer Mensch verfällt, so wird doch der innere von Tag zu Tag erneuert.
Der äußere Mensch ist lebt im Bereich des Sichtbaren, der innere Mensch ist bezogen auf das Unsichtbare.
Dabei ist für Paulus das Innere des Menschen nicht sein „Wesen“, nicht sein Charakter, nicht seine „Seele“! Für Paulus ist das Innere des Menschen – der Glaube.
Im inneren Menschen, im Bereich des Unsichtbaren, begegnen wir Gott. Von ihm sagt Paulus kurz vor unserem Abschnitt: Wir wissen, dass der, der den Herrn Jesus hat auferweckt, wir uns auch auferwecken mit Jesus und wird uns vor sich hinstellen samt euch.
Der innere Mensch ist empfänglich für Gott und schöpft daraus Kraft für jeden Tag.
Der innere Mensch des Glaubens, von dem Paulus spricht, ist nicht auf die Zeit, sondern auf die Ewigkeit bezogen.
Im Glauben wächst die Hoffnung, dass Gottes barmherzige Zuwendung zu uns Menschen über das Sterben und den Tod hinausreicht.
Eine alte Frau bestimmte in ihrem Testament, dass sie in einem anonymen Gräberfeld bestattet sein wollte. „Nicht meine körperlichen Überreste sind wichtig,“ sagte sie, „sondern mein innerer Mensch. Und dieser bleibt nicht nur im Gedächtnis und in der Erinnerung der Angehörigen. Dieser innere Mensch bleibt bei Gott.“ So drückte sie ihre Hoffnung aus.
Christen können das sagen, weil sie – wie Paulus damals – überwältigt sind von der Erfahrung von Ostern.
Gerade am Sonntag Jubilate soll noch einmal der Jubel laut werden:
In Jesus Christus hat Gott den Tod überwunden. Weil wir schon jetzt am Auferstehungsleben Jesu teilhaben, können wir innerlich jubeln.
Durch den Glauben wird unser innerer Mensch von Tag zu Tag erneuert. Ich habe eingangs von Pfarrer Ludwig Steinbauer gesprochen.
Ich schließe nun mit einem anderen Pfarrer, den Graf Zinzendorf noch kennengelernt hat: Johann Metzner. Er wuchs in der Oberlausitz auf und wurde nach seinem Theologiestudium in Wittenberg in der Nähe von Herrnhut Pfarrer. Er starb im Alter von 75 Jahren 1734. Da war Zinzendorf 34 Jahre alt.
Im Verlauf seines Lebens musste Metzner viel Leid erfahren; unter anderem verstarben seine erste Ehefrau und sechs seiner dreizehn Kinder. Er verlor sein Wohnhaus und seinen Besitz durch einen Brand. Zinzendorf sagte von ihm, dass er „im Ofen der Trübsal geläutert“ war. Obwohl dieser Mann so viel Schweres erleben musste, hat er ein besonderes Loblied gedichtet, das wir gleich singen werden:
„O dass ich tausend Zungen hätte“.
Bei der Fassung im Gesangbuch sind etliche Strophen nicht übernommen worden. So kommt der Gedanke, dass Gott auch im Leid da ist / mit seiner Liebe / nur noch am Rande vor. In Stophe 5 heißt es: „Auch in der äußersten Gefahr ward deines Trostes ist gewahr.“ Machen wir uns bewusst, dass es ein Lob aus der Tiefe ist, das in Metzner aufgestiegen ist, als er dieses Lied gedichtet hat. Es ist die Sicht und die Sprache des Glaubens, des inneren Menschen.
Und der Friede Gottes, der alles menschliche Verstehen übersteigt, bewahre eure Gedanken und Gefühle in der Gemeinschaft mit Jesus Christus. Amen
P.S.: Martin Luther nahm die Unterscheidung des äußeren und des inneren Menschen von Paulus auf. Er schrieb in "Von der Freiheit eines Christenmenschen":
„Der innere Mensch ist mit Gott eins, fröhlich und lustig um Christi willen, der ihm so viel getan hat, und alle seine Lust besteht darin, dass er umgekehrt Gott auch umsonst in freier Liebe dienen möchte.“