Wenn wir im Evangelium vom Karfreitag hören, was Jesus alles angetan wurde, dann lässt uns das sicher nicht unberührt.
Aber gehört zum Karfreitag automatisch eine ernste, traurige Stimmung?
Unser Predigttext für den Karfreitag ist ein Abschnitt aus dem Brief an die Kolosser 1, 13-20.
Sie werden beim Zuhören merken, dass hier nicht um Trauer geht, nicht um Klagen. Im Gegenteil. Hier wird Gott gelobt für alles, was er für uns getan hat:
Gott der Vater hat uns errettet aus der Macht der Finsternis und hat uns versetzt in das Reich seines geliebten Sohnes, in dem wir die Erlösung haben, nämlich die Vergebung der Sünden. Er ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene vor aller Schöpfung. Denn in ihm wurde alles geschaffen, was im Himmel und auf Erden ist, das Sichtbare und das Unsichtbare, es seien Throne oder Herrschaften oder Mächte oder Gewalten; es ist alles durch ihn und zu ihm geschaffen. Und er ist vor allem, und es besteht alles in ihm. Und er ist das Haupt des Leibes, nämlich der Gemeinde. Er ist der Anfang, der Erstgeborene von den Toten, auf dass er in allem der Erste sei. Denn es hat Gott gefallen, alle Fülle in ihm wohnen zu lassen und durch ihn alles zu versöhnen zu ihm hin, es sei auf Erden oder im Himmel, indem er Frieden machte durch sein Blut am Kreuz.
Liebe Gemeinde!
Wir haben hier ein sehr altes Lied vor uns, einen Hymnus.
Ein Loblied auf Gott und Christus. Ein Lob überschlägt hier das andere.
Der Dichter dieses Lobliedes scheint gar nicht traurig zu sein. Er denkt über das Geheimnis Jesu nach, wer Jesus ist, was er für ihn und die ganze Welt bedeutet. Über seinem Nachdenken kommt er ins Staunen und Loben.
In Würzburg werden heute alle, die mit Kirche und Karfreitag wenig anfangen können, zu einer Heidenspaßparty eingeladen.
Eine Spaßparty werden wir heute in unserem Gottesdienst sicher nicht erleben. Aber die Feier des Karfreitags muss nicht automatisch mit einer ernsten Stimmung in Verbindung gebracht werden.
(Wer durch die Kirche in Appenfeld betritt, öffnet die Tür mit einem besonderen Türklinke: SIe hat die Form der Siegesfahne, die der Auferstandene in seiner linken Hand hält. Tritt er ein durch die rechte Türseite, so geht er am segnenden Christus vorbei. Dieser entsteigt soeben einem geöffneten Grab. Zum Gottesdienst versammelt sich die Gemeinde um den Auferstandenen...)
Als Christen blicken wir schon immer von Ostern her auf das Leben, Leiden und Sterben Jesu zurück.
Ohne Ostern, ohne die Auferweckung Jesu, gäbe es keine Christen.
Ohne Ostern würden wir den Karfreitag nicht begehen und feiern.
Ohne Ostern, ohne die Auferweckung Jesu, wäre unser Glaube hinfällig. So schreibt bereits Paulus 1. Kor. 15, 17: Ist Christus aber nicht auferstanden, so ist euer Glaube nichtig, so seid ihr noch in euren Sünden… Nun aber ist Christus auferstanden von den Toten als Erstling unter denen, die entschlafen sind.
Im Hymnus des Kolosserbriefs heißt es genauso: Er – Christus – ist der Anfang, der Erstgeborene von den Toten… er machte Frieden durch sein Blut am Kreuz.
Es fällt auf, dass die Erwähnung des Kreuzestodes erst ganz am Schluss des Hymnus‘ auftaucht. Das Kreuz ist noch da. Es bleibt uns vor Augen.
Es steht für die grausame Hinrichtung Jesu und für das Leid, das Menschen einander antun. Bis heute.
Gott geht ein in das Leid. So nah kommt er uns in Jesus.
Das wird umso verwunderlicher auf dem Hintergrund des Größe Jesu, die mit vielen Sätzen besungen wird.
Wie gesagt, dieser Hymnus ist kein Trauerlied, sondern ein Loblied.
Wie nach einem Sieg.
Darum brennt die Osterkerze auch am Karfreitag.
Alpha und Omega rahmen das Kreuz. Der erste und letzte Buchstabe des griechischen Alphabetes. Jesus Christus ist Anfang und Ende.
Er ist der Anfang, der Erstgeborene von den Toten, auf dass er in allem der Erste sei.
Leben aus dem Nichts.
Gott hat Jesus auferweckt von den Toten.
Gott hat seine Lebensmacht mit Jesus Christus verbunden.
Das gilt so umfassend, dass Gottes Lebensmacht von Anfang an mit Christus verbunden gedacht wird. Der Hymnus besingt diese Lebensmacht so, dass in Christus die Fülle Gottes wohnt.
Durch Jesus, den Lebendigen, wurde alles geschaffen.
Jesus war schon am Anfang bei Gott, vor aller Schöpfung.
Das ganze Universum besteht nur durch ihn. In ihm kommt alles zum Ziel.
Größer kann man nicht von einem Menschen reden.
In diesem großen Zusammenhang gilt es den Karfreitag zu sehen.
Es gibt so viel Negatives in unserer Welt. Sofort fallen uns schlimme Dinge ein von Ungerechtigkeit, von Lug und Trug, von skrupelloser Gier, von Neid und Streit, Gewalt und Zerstörung. Das Unrecht nimmt überhand, heißt es in einem Lied. Es gibt Menschen, die sind auf all dies Negative fixiert. Der Hymnus kann uns helfen, dass wir das Negative nicht so stark werden lassen, dass es uns die Lebenskraft raubt.
Wenn wir auf die Worte des Kolosserbriefes vertrauen, können wir das Positive groß werden lassen. Es wird uns stärken. Gott wird uns stärken. Das gibt uns Zuversicht. Und Mut. So können wir all dem, was schwer ist in dieser Welt, etwas entgegensetzen. Das ist genau das, was der Kolosserbrief macht. Er versucht, dem Negativen etwas Positives gegenüberzustellen.
Dem Scheitern, dass doch auch wieder etwas gelingen kann.
Der Schuld, dass es doch auch Vergebung gibt.
Dem Blick auf das bittere Ende, auf die Schrecken dieser Welt, dass wir von Ostern, von der Auferweckung Jesu her, eine Hoffnung haben.
Und denen, die meinen, es ändert sich nie etwas, erzählt der Kolosserbrief von der Befreiung des Menschen, von der Erlösung.
Der Kolosserbrief findet leidenschaftliche Worte gegen den Tod. Gegen Resignation.
All das bringt der Kolosserbrief in Verbindung mit Jesus.
Die Finsternis hält nicht auf ewig alles in Schach. Auch sie verliert ihre Schrecken. Jesus bleibt nicht im Tod. Er ist der erste, der in die neue Welt Gottes eintritt. Und wir werden ihm dahin folgen. Ein Weg der Versöhnung ist möglich, denn Gott machte Frieden mit der Welt.
Wir singen am Karfreitag ganz bewusst ein Himmelfahrtslied:
Jesus Christus herrscht als König, alles wird ihm untertänig, alles legt ihm Gott zu Fuß.
Es hat eine fröhliche Melodie. Wir wollen ganz bewusst am Karfreitag Christus als Herrscher über alle Mächte und Gewalten loben.
Durch ihn existiert die Gemeinde als Leib Christi. Als Gemeinde von Christen leben wir durch ihn. In ihm gehören wir zusammen.
So verschieden wir auch sein mögen, durch Christus sind wir versöhnt, verbunden, aufeinander bezogen.
Es ist gut möglich, dass wir am Karfreitag nicht mit ernster Miene, sondern beschwingt aus dem Gottesdienst nach Hause kommen.
Weil wir uns bewusstgemacht haben, in welch großem Zusammenhang die Kreuzigung Jesu steht.
Und der Friede Gottes, der all unser Versehen übersteigt, wird eure Gedanken und Gefühle bewahren in der Gemeinschaft mit Jesus Christus.
Ich wünsche Ihnen ein gesegnetes Osterfest,
Ihr Pfarrer Hans Gernert