Gedanken aus der Osternacht

Die Ostergeschichte nach Matthäus 28, 1-10 (siehe unten in der Übersetzung der Basis-Bibel).

Christen hierzulande machen die Erfahrung, dass manche Bibeltexte ganz neu zu ihnen sprechen in dieser Zeit der Pandemie. Es mag damit zusammenhängen, dass wir näher an der Ursprungssituation der Texte dran sind.

Durch die Pandemie erleben wir deutlicher, wie unser Leben bedroht ist, begrenzt, nicht planbar.

Das war vor der Pandemie nicht anders. Doch nun ist es fast täglich in unserem Bewusstsein.

Bedroht, begrenzt, nicht planbar – ist jede menschliche Beziehung. Das erlebten auch die Frauen, die sich entschieden hatten mit Jesus zu gehen. Sein schnelles, jähes Ende war für sie so nicht absehbar. Alles brach für sie zusammen. Binnen weniger Tage standen sie ohne ihren Herrn und Meister da.

Das grausame Schauspiel, das die Soldaten mit ihm trieben, hat sich ihnen tief eingebrannt: wie er sein Kreuz schleppen musste / durch die Gassen der Stadt / hinaus auf den Hügel Golgatha. Dann die Bilder von seinem Todeskampf. Das war zu viel auf einmal. Viele Fragen und keine Antworten. In kurzer Zeit hat sich ihr Leben verdunkelt. Alle Hoffnungen, die Jesus in ihnen geweckt hatte, waren zerstört. Sie müssen es verarbeiten. Darum zieht es sie nach der Sabbatruhe sofort zum Grab Jesu.

Aber unbemerkt von ihnen, unbemerkt von der ganzen Welt, hat sich bereits etwas Entscheidendes getan.

Es ist gar nicht mehr so, wie die Frauen meinen.

Es gibt eigentlich keinen Grund mehr zur Trauer.

Wir leben in einer schwierigen Zeit. Die Zukunft wird uns immer fraglicher. Nichts, worauf man sich verlassen kann. Aber brennt nicht längst schon ein Licht im Dunkel unsrer Nacht ohne dass wir es wahrnehmen? Es brennt seit der ersten Osternacht!

Wir haben es gehört. In die Trauer der Frauen kommt auf einmal Bewegung: Ein Erdbeben!

Nichts bleibt, wie es war. Die düstere Sicht, die verloren gegangene Aussicht der Frauen kommt ins Wanken.

Gott hat eingegriffen. Anders als erhofft. Das Schlimme hat er nicht verhindert. Doch nun sendet er seinen Engel. Er leuchtet hell. Er lässt aufschauen.

Denn er rollt den Stein weg und setzt sich darauf.

Das Eigentliche ist dabei schon längst geschehen.

Matthäus erzählt es nicht, wie die Auferweckung Jesu vonstattenging. Keiner war dabei.

Doch jetzt erstarren die Wachen vor Furcht.

Sie konnten Gott nicht hindern an seinem Handeln.

Nun steht die Tür zum Grab offen. Auch für uns!

Der Stein ist beiseite gerollt.

Die Botschaft des Engels dringt an die Ohren der Frauen und an unsere Ohren: „Fürchtet euch nicht! Ich weiß: Ihr sucht Jesus, der gekreuzigt wurde. Jesus ist nicht hier. Gott hat ihn von den Toten auferweckt, wie er es vorausgesagt hat. Kommt her und seht: Hier ist die Stelle, wo er gelegen hat.“

Die Tür steht offen. Die Tür ins Grab.

Fortan können wir mit Jesus in alle Dunkelheiten unserer Lebens hineingehen und mit ihm aus allem herausgehen und durch alles hindurchgehen.

Mit der Botschaft des Engels im Ohr laufen die Frauen vom Grab weg. Auf dem Weg zu den Jüngern begegnet ihnen der Auferstandene selbst und wiederholt die Worte des Engels: „Fürchtet euch nicht!“ Die Bewegung geht weiter. Die Jünger sollen nach Galiläa gehen. In ihrer Heimat, in ihrem Alltag, werden sie, werden wir, dem Auferstandenen begegnen.

Lassen wir uns mitnehmen von der Bewegung, die durch diese Ostergeschichte geht und auch uns erfassen will.

 

Der Kirchenvater Irenäus, der um 200 n. Chr. starb, umschreibt Ostern so:

„Christus schlief im Tod ein und erwachte in der Auferstehung, weil Gott ihn rief“.

Ausschnitt von einem Deckengemälde in der Kirche San Polo in Venedig (um 1749). Gemalt hat es Giovanni Domenico Tiepolo (1727-1804), der mit seinem Vater auch als Maler in der Würzburger Residenz zugange war. Tiepolo malt den Auferstandenen mit großen Luftsprüngen. Er tanzt mit der Siegesfahne gleichsam direkt vom Grab in den Himmel hinein.

Lassen wir uns anstecken von diesem Tanz und wenigsten mit einer beschwingten Seele Ostern feiern.

 

Segen

Gott erfülle dich neu mit Freude, Trost und Dankbarkeit.

So segne und behüte dich der lebendige, dreieinige Gott,

der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.

 

Das Osterevangelium nach Matthäus 28, 1-10

1Der Sabbat war vorüber.

Da kamen ganz früh am ersten Wochentag

Maria aus Magdala und die andere Maria.

Sie wollten nach dem Grab sehen.

2Plötzlich gab es ein heftiges Erdbeben,

denn ein Engel des Herrn kam vom Himmel herab.

Er ging zum Grab, rollte den Stein weg und setzte sich darauf.

3Seine Gestalt leuchtete wie ein Blitz,

und sein Gewand war weiß wie Schnee.

4Die Wachen zitterten vor Angst

und fielen wie tot zu Boden.

5Der Engel sagte zu den Frauen: »Fürchtet euch nicht!

Ich weiß: Ihr sucht Jesus, der gekreuzigt wurde.

6Jesus ist nicht hier.

Gott hat ihn von den Toten auferweckt,

wie er es vorausgesagt hat. Kommt her und seht:

Hier ist die Stelle, wo er gelegen hat.

7Jetzt geht schnell zu seinen Jüngern!

Sagt ihnen: ›Jesus wurde von den Toten auferweckt.‹

Er geht euch nach Galiläa voraus.

Dort werdet ihr ihn sehen.

Auf diese Botschaft könnt ihr euch verlassen.«

8Die Frauen waren erschrocken und doch voller Freude.

Schnell liefen sie vom Grab weg,

um den Jüngern alles zu berichten.

9Da kam ihnen Jesus selbst entgegen

und sagte: »Seid gegrüßt!«

Sie gingen zu ihm, berührten seine Füße

und warfen sich vor ihm zu Boden.

10Da sagte Jesus zu ihnen: »Fürchtet euch nicht!

Geht und sagt meinen Brüdern,

sie sollen nach Galiläa gehen.

Dort werden sie mich sehen.«

Ostergruß: Der Herr ist auferstanden.

Alle: Er ist wahrhaftig auferstanden.