300 Jahre Herrnhut - 250. Todestag des Grafen Lutz

Heute erinnern wir uns gleich an zwei Jubiläen: 1. Vor 300 Jahren wurde Herrnhut gegründet. Ludwig Nikolaus Graf von Zinzendorf erlaubte mährischen und böhmischen Brüdern, die durch die katholische Obrigkeit in der Ausübung ihres evangelischen Glaubens gehindert wurden, sich auf seinen Gütern nahe Görlitz in Sachsen beim Hutberg anzusiedeln. Die neue Siedlung wurde "Herrnhut" genannt im dem Sinne, dass sie unter der Obhut des Herrn Jesus steht. Der Zimmermann Christian David fällte am 17. Juni 1722 den ersten Baum für ein Haus. Dabei zitierte er Psalm 84, 4: Hier hat der Vogel sein Haus gefunden, und die Schwalbe ihr Nest, nämlich deine Altäre, Herr Zebaoth, mein König und mein Gott!

2. Das zweite Jubiläum, das ich in diesem Gottesdienst in den Blick nehmen will, ist der 250. Todestag des Grafen Lutz. Er war sieben Jahre jünger als sein Cousin Zinzendorf. Beide hießen mit Erstnamen Ludwig. Ludwig Friedrich Graf zu Castell, kurz Graf Lutz genannt, hatte als Wahlspruch Sprüche 18,10: Der Name des Herrn ist ein festes Schloss, der Gerechte läuft dahin und wird beschirmt.

Gott selbst wird mit einem festen Schloss, lateinisch „castellum“, verglichen. Sicher hat Graf Lutz seinen Familiennamen Castell hier in der Bibel wiedergefunden in Verbindung mit Gott. Darum hat hat diesen Spruch als Wahlspruch für sein Leben genommen.

Gott als festes Schloss oder als Burg, die Schutz und Geborgenheit vermittelt. Dieses Bild taucht auch in den Psalmen auf, etwa in Psalm 46, den Luther als Vorlage für sein bekanntes Lied genommen hat: "Ein feste Burg ist unser Gott".

Besinnung

Der Casteller Hofprediger Engelhard hat eine barocke Rede am Grab des Grafen Lutz gehalten. Darin führt er aus:

Jeder Christ weiß, dass unter dem Namen des Herrn der Herr, der Himmel und Erde gemacht hat, der Gott und Vater welcher uns erschaffen, erlöst und geheiligt hat, selbst verstanden werde. Denn Gottes Name kann nichts anderes als Gott selbst sein und wie er sich uns geoffenbart hat. Wenn also Salomo sagt: Der Name des Herrn ist ein festes Schloss, so sagt er nichts anders als der Herr, der Allerhöchste, der große Gott, der Himmel und Erde gemacht hat, der Gott, welcher uns erschaffen, erlöst und geheiligt hat, der ist unsere Beschirmung. Bei ihm finden wir den Schutz, welchen Menschen in den festen Schlössern der Erde, wo Könige wohnen, wo starke Besatzungen liegen, zu finden vermeinen, den Schutz finden wir bei Gott, der in dem Himmel wohnet, wenn wir uns unter denselben begeben, wenn wir in Trübsal bei ihm unsere Errettung suchen, wenn wir zu ihm fliehen. So wie in ein festes Schloss eines mächtigen Königes, jeder, welchen der König aufgenommen hat, Schutz und Beschirmung vor allen Feinden erlanget, so glücklich und gesichert ist der, welcher zu Gott seine Zuflucht nimmt, zu dem Namen des Herrn läuft.

Liebe Gemeinde!

Wir feiern heute das Fest Trinitatis. Es bindet die anderen Feste Weihnachten, Ostern und Pfingsten zusammen. Bei allem Nachdenken über den dreieinigen Gott werden wir nie an ein Ende kommen, weil Gott uns als Geheimnis immer auch verborgen bleibt. Wir können nicht über ihn verfügen. Doch wer ihn verehrt, der kann in Gott eine tiefe Geborgenheit erfahren wie sonst nirgends. Der Wahlspruch des Grafen Lutz kann uns helfen, der Tiefe und Weite und dem Reichtum Gottes nachzuspüren.

Zuerst will ich mich mit Ihnen an Graf Lutz erinnern, in dessen Leben viel Hohes und Tiefes zusammenkam, Gewissheit und Zweifel, frommes Streben und auch Niederlagen. Sein Ziel, in seinem Eigenbesitz Rehweiler als geistlicher Landesherr ein pietistisches Gemeinwesen aufzubauen nach dem Vorbild von Herrnhut, hat er nicht erreicht. Und doch strahlen seine Bemühungen bis heute aus, wenn wir die zentralen Gebäude in Rehweiler anschauen: die Gastwirtschaft, die wohl als Waisenhaus ausgebaut wurde; die Schlössleinskolonie, in der Graf Lutz selbst eine Wohnung bezog; die Kirche im Herrnhuter Stil und die ehemalige Meierei neben dem Spielplatz bei der Kirche.

Der Vater von Graf Lutz war Wolfgang Dietrich Graf und Herr zu Castell-Remlingen. Er hatte Geld und ließ 1691 das Barockschloss in Castell erbauen. Im gleichen Jahr starb seine erste Ehefrau. Mit ihr hatte er 5 Töchter und 1 Sohn. 1693 heiratete er in 2. Ehe Gräfin Dorothea Renate von Zinzendorf und Pottendorf. Sie war eine Tante von Nikolaus Graf von Zinzendorf und fand in Castell also ein neues Schloss vor, das sicher genug Platz auch für die weiteren 8 Kinder bot, die sie dem Casteller Regenten gebar.

Graf Lutz war das letzte in der ganzen Kinderschar und wurde am 23.2.1707 geboren im neuen Casteller Schloss. Doch sein Vater starb bereits zwei Jahre später 1709 im Alter von 68 Jahren und wurde in der Grafschaftskirche begraben. Seine 2. Frau Dorothea Renata war damals 40 Jahre alt und blieb als junge Witwe mit 9 Kindern im Haus zurück. Nur fünf Kinder erreichten das Erwachsenenalter.

Mit ihrem jüngsten Sohn Friedrich Ludwig, genannt Lutz, hatte sie es nicht leicht.

Denn der junge Graf wurde bald vom Pietismus beeinflusst.

Die Schwester Theodora war vier Jahre älter – in sie hat sich Graf Zinzendorf 1720 verliebt, als er das erste Mal nach Castell kam. Zinzendorf erhielt aber letztlich einen Korb. Lutz war damals 13 Jahre alt, als er seinen Cousin Zinzendorf kennenlernte. Er sah in Zinzendorf ein Vorbild für sich und es entstand eine ausgedehnte Brieffreundschaft zwischen beiden.

Als Zinzendorf 2 Jahre später in Ebersdorf die Schwester seines Konkurrenten heiratete, war Lutz auch auf der Hochzeit. Dort erlebte er seine erste Erweckung. Er studierte dann in Frankfurt an der Oder Jura und kam 6 Jahre lang nicht nach Hause. Durch seine pietistische Prägung hielt er sich für besser als die Mutter und Geschwister. Er schrieb seiner Mutter, dass er für sie bete, dass sie noch so lange leben darf, bis sie zum rechten Glauben gefunden hat und gerettet würde.

Er nahm gar nicht wahr, dass die Familie Zinzendorf aus Glaubensgründen aus Österreich geflohen war und in einem bewusst lutherisch geprägten Glauben stand.

Von einer zweiten Erweckung berichtet er auf dem Heimweg von Frankfurt an der Oder 1729, also mit 22 Jahren.

1730/31 besuchte er seinen Cousin Zinzendorf in Herrnhut.

Jagen, Spielen und dergleichen lehnte er ab. Das passte nicht zu einer pietistischen Frömmigkeit.

1731 bereiste er auf einer Kavalierstour Deutschland und Frankreich. (Durch verwandtschaftliche Beziehungen erhielt er daraufhin eine Kammerherrenstelle am königlich-dänischen Hof.)

1732 wurde er mit 25 Jahren volljährig. Seitdem regierte er die Grafschaft Castell-Castell gemeinschaftlich mit seinen Brüdern Wolfgang Georg II. und August.

1733 war Lutz ein zweites Mal in Herrnhut.

1734 kaufte er für 14.500 Gulden das „Gut und Örtlein“ Rehweiler. (Hier gab es nur ein Jägerhaus, ein Backhaus und zwei andere Hütten. Mit dem Kauf zog er das Missfallen des Cousins Johann Friedrich zu Castell-Rüdenhausen auf sich, aus dessen Rekultivierungsprogramm das Dorf hervorgegangen war.)

1735 war Zinzendorf das letzte Mal in Castell und beriet seinen Cousin in Rehweiler.

Graf Lutz ließ die Schlössleinskolonie mit Pfarrhaus, Schule, Kutscherhaus und einer Wohnung für sich selbst im Haus Nr. 8.

So bemühte er sich, in Rehweiler Gleichgesinnte anzusiedeln. Durch die Ausbreitung des Pietismus in der Umgebung, durch Evangelisationen könnte man sagen, kamen Leute aus Prichsenstadt, Eichfeld und anderen Ortschaften. Herrnhuter Brüder kamen auch und halfen beim Aufbau, sie blieben aber nicht lange.

Ein Waisenhaus, das bis zu 40 Kinder aufnehmen konnte, und eine Schule wurden eingerichtet. So wurde das Steigerwalddorf zum Mittelpunkt der pietistischen Bewegung in Franken. An manchen Tagen sollen bis zu 1000 Leute gekommen sein, um den Grafen Lutz zu hören.

1736 kam es zum Bruch mit Zinzendorf.

Graf Ludwig Friedrich heiratete am 10. Dezember 1744 in Wernigerode Gräfin Ferdinande Adriane zu Stolberg-Werniugerode, die seine religiösen Ziele unterstützte. Die Ehe blieb kinderlos.

Bereits 1748 klagte Graf Lutz seinem württembergischen Freund Friedrich Christoph Oetinger, dass es nicht vorwärts gehe in seiner Kolonie und dass schwere religiöse Anfechtungen sein Gemüt bedrücken. Es finden sich in seinen Briefen viele Klagen über seine Kränklichkeit, Schulgefühle und Selbstzweifel. Außerdem hatte er oft Geldsorgen. Er hoffte durch alchemistische Studien eine Geldquelle erschließen zu können. Aber Erfolge hatte er keine.

Nach dem Tod seiner beiden Brüder wurde er 1767 Alleinregent und Senior des Hauses Castell.

1770 zog er nach Castell und baute in Castell ein Archivgewölbe.

In seinem letzten Lebensjahr gab es eine Hungersnot und es ging ihm sehr nach, dass er kein Geld hatte, um seinen notleidenden Untertanen zu helfen.

Ludwig Friedrich Graf und Herr zu Castell-Remlingen verstarb am 22. Juni 1772 in Castell. Er hat verfügt, dass keine Leichenrede gehalten wird. Er wollte keine Ehrung erfahren, damit der Ehre Gottes nichts abgeht. 1774, zwei Jahre nach seinem Tod, wurde die Kirche in Rehweiler fertiggestellt.

1778 zog die Gräfin in das Schloss zu Burghaslach.

Sie überlebte ihren Mann um 15 Jahre und wurde 1787 nach ihrem Tod ebenfalls in der Familiengruft in Castell beigesetzt.

Der Casteller Hofprediger Engelhard sprach bei der Beerdigung des Grafen Lutz über dessen Wahlspruch. Er sah in dem Wahlspruch einen Befehl des verstorbenen Grafen an seine Untertanen: Sie sollen den Namen des HERRN anrufen, an Gott glauben und immer wieder zu ihm hinfliehen, um vonihm beschirmt zu werden:

Der Name des Herrn ist ein festes Schloss, der Gerechte läuft dahin und wird beschirmt. Der Graf habe sich diesen Spruch ausgesucht, um durch bei seinem Titel „Graf und Herr zu Castell“ immer wieder an den eigentlichen HERRN erinnert zu werden, der von Jugend an ein festes Schloss für ihn war. Es fällt auf, dass der Hofprediger die Wiedergeburt nicht an den Bekehrungserlebnissen des jungen Graf festmacht, sondern an seiner Taufe. Er sagt: Bei der Taufe wurde der Name des HERRN über den jungen Grafensohn angerufen. Durch die Taufe erhielt er die Gnade eines Gerechtfertigten. So hoch ihn seine adlige Geburt vor anderen Menschenkindern adelte, so wurde er doch durch die geistliche Wiedergeburt er zur höchsten Ehre erhöht, zu einem Kind Gottes erhoben. (Die Beerdigungsrede hat Pfr. Gernert im Originalwortlaut und in voller Länge online gestellt.)

 

Fragen wir uns zum Schluss: Wie ist das mit dem Namen des HERRN, der in den Sprüchen mit einem festen Schloss verglichen wird.

Zunächst halten wir fest: Gott hat einen Namen.

Als Mose am brennenden Dornbusch Gott nach seinem Namen fragt, bekommt er zur Antwort: „Jahwe“. Darin steckt das Wort hebräische Wort „hajah“, das verschieden übersetzt werden kann: „Ich bin, der ich bin“ oder „Ich werde sein, der ich sein werde.“ Juden haben schon früh den Gottesnamen nicht mehr ausgesprochen, sondern umschrieben. Damit achteten sie das zweite Gebot: Du sollst den Namen des Herrn nicht missbrauchen! Wo der Gottesname JHWH in der Tora steht, den Luther mit HERR wiedergab, geschrieben mit 4 großen Buchstaben, da verwenden Juden beim Lesen ein anderes Wort, etwa „Schem“ (der Name) oder „Adonai“ (Herr).

Der Name steht für die Person. Der Gottesname steht für Gott selbst, den wir Christen als dreieinigen Gott verehren.

Menschen machen vielfältige Erfahrungen mit Gott. Diese Erfahrungen sind eingegangen in die Namen Gottes.

Besonders die Psalmen sind voll mit Bildern und Vergleichen für Gott. Gott werden auch viele Eigenschaften zugeschrieben. Hören wir einfach ohne weitere Erklärung hinein in die Vielfalt der Namen Gottes (, die es auch im Islam gibt.)

Der HERR ist mein Licht und mein Heil.

Der HERR ist meines Lebens Kraft. (Ps 27,1)

HERR, mein Gott, du bist sehr herrlich. Licht ist dein Kleid. (Ps 104, 1-2)

Der HERR ist meine Macht und mein Psalm und ist mein Heil. (Ps 118,14)

Gnädig und barmherzig ist der HERR, geduldig und von großer Güte. (Ps 103,8)

HERR, mein Fels, meine Burg, mein Erretter. (Ps 18, 3)

HERR, du bist unsere Zuflucht für und für. (Ps 90, 1)

HERR, meine Zuversicht und meine Burg. (Ps 91, 2)

Der HERR ist mein Hirte. (Ps 23, 1)

Der HERR ist gut und gerecht. (Ps 25, 8)

Lassen wir uns durch Trinitatis und durch den Wahlspruch des Grafen Lutz dazu anregen, den Namen der HERRN anzurufen in aller Vielfalt und Weite, wie wir sie in der Bibel finden.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.