Am Mittwoch haben wir mit Kinder in Rehweiler eine Dorfrallye gemacht. Ich habe ihnen ein wenig von Anna Merk erzählt, die auch die fromme Bärbel oder betende Bärbel genannt wurde. Sie starb 1929 im Alter von 74 Jahren. Ihr alkoholkranker Bruder brachte die Familie um Haus und Hof. Als Invalidenrentnerin wohnte die fromme Bärbel die letzten 30 Jahre ihres Lebens zur Miete im Haus, das heute von Prof. Bossert bewohnte wird – gleich oberhalb der Kirche. Zwei Jahre hat Pfarrer Arndt diese über Rehweiler hinaus bekannte Beterin und Ratgeberin noch selbst erlebt. Aus dem Pfarrhaus bekam sie die letzten Jahre ihres Lebens ihr Mittagessen. In der Mitte ihres Lebens war sie schwer erkrankt. Sie konnte kaum mehr reden. Man rechnete mit ihrem Ende. Darum rief man um 1 Uhr in der Nacht noch den Pfarrer Fichtbauer zu ihr. Pfarrer Arndt schrieb auf, was sich dann zutrug: „Als Pfarrer Fichtbauer zu ihr kam, hatte sie eine Christuserscheinung, die ihr die Gewissheit der Rettung gab. Als die Umstehenden das Lied „Lasst mich gehen“ zu Ende gesungen hatten, öffnete sie zu aller Überraschung die Augen und war wieder da. Sie konnte wieder sprechen und pries den Herrn Jesus. Das Erlebnis war so schön, dass sie am liebsten heimgegangen wäre. Es kostete ihr Tränen, als sie merkte, dass sie noch nicht zum Herrn hingehen durfte. Jesus hatte sie erwählt. Sie genas und wurde eine „Mutter in Christus“.
Wenn man diese Sätze liest, wird man an eine Nahtod-Erfahrung erinnert. Die fromme Bärbel begann dann in der Bibel zu lesen und betete viel für andere Menschen. Die Grabplatte von Barbara ist im Friedhof Rehweiler noch vorhanden an der Mauer bei der Leichenhalle.
An diese Schilderung einer Christuserscheinung musste ich bei unserem heutigen Predigttext denken, den Sie seit ihrer Schulzeit kennen: Es ist die Geschichte von der Bekehrung des Paulus.
Man geht davon aus, dass Paulus in seiner Sturm- und Drangzeit war, so zwischen 20 und 30, als er meinte, er müsse für die Reinheit seines jüdischen Glaubens eintreten und Gewalt anwenden. Etwas salopp könnte man sagen, dass sich Paulus als junger Mensch radikalisiert hat. Er wandte sich dem Pharisäertum zu, einer Bewegung, die für die reine Lehre eintrat und für das Befolgen der jüdischen Gesetze. Man fühlt sich erinnert an junge Menschen unserer Tage, die einer fundamentalistischen Propaganda auf den Leim gehen.
Lukas erzählt von Paulus in der Apostelgeschichte sehr drastisch, wie er brutal gegen die Christen vorging. „Er schnaubte Drohung und Mord gegen sie“, heißt es im Griechischen. Er war also voll Eifer bei der Sache wie ein Blindwütiger, der sich nicht mehr im Griff hat. Aus eigener Initiative, nicht im offiziellen Auftrag der Hohenpriester, reiste er nach Damaskus. Die Christen sah er als Sekte an, die bekämpft werden müsse. Mit einem Empfehlungsschreiben der Hohenpriester wollte er zum Synagogenvorstand in Damaskus gehen. Synagogenvorstände hatten das Recht der Auspeitschung, die in ihrer Folge auch zum Tod führen konnte.
So lesen wir in der Apg. 9, 1-9:
Saulus aber schnaubte noch mit Drohen und Morden gegen die Jünger des Herrn und ging zum Hohenpriester und bat ihn um Briefe nach Damaskus an die Synagogen, damit er Anhänger des neuen Weges, Männer und Frauen, wenn er sie dort fände, gefesselt nach Jerusalem führe. Als er aber auf dem Wege war und in die Nähe von Damaskus kam, umleuchtete ihn plötzlich ein Licht vom Himmel; und er fiel auf die Erde und hörte eine Stimme, die sprach zu ihm: Saul, Saul, was verfolgst du mich?
Er aber sprach: Herr, wer bist du?
Der sprach: Ich bin Jesus, den du verfolgst. Steh auf und geh in die Stadt; da wird man dir sagen, was du tun sollst.
Die Männer aber, die seine Gefährten waren, standen sprachlos da; denn sie hörten zwar die Stimme, aber sahen niemanden.
Saulus aber richtete sich auf von der Erde; und als er seine Augen aufschlug, sah er nichts. Sie nahmen ihn aber bei der Hand und führten ihn nach Damaskus; und er konnte drei Tage nicht sehen und aß nicht und trank nicht.
Liebe Gemeinde!
Paulus, der hier noch in seiner hebräischen Form Saulus heißt, erlebt die entscheidende Wende in seinem Leben. Lukas erzählt diese Wende sehr anschaulich.
Zuerst meint Paulus, er müsse seinen Glauben anderen aufdrängen. In seinem blinden Eifer sieht er Gewalt als legitimes Mittel dafür an. Wie Fanatiker, die meinem, im Namen irgendeines Gottes Gewalt anwenden oder die Andersgläubigen sogar töten zu müssen.
Wer im Namen Gottes Gewalt predigt oder anwendet, der sucht nicht Gott, sondern verleugnet ihn. Denn Gottes Wille ist eindeutig: „Du sollst nicht töten!“
Denken wir nur an den Mordversuch an Salman Rushdie. Seit 1988 gibt es vom iranischen Revolutionsführer Ajatollah Chomeini einen Tötungsaufruf, weil er angeblich den Propheten Mohammed und den Koran beleidigt habe. Was für ein kleinkarierter Glaube, der meint, man müsse Gott verteidigen? Wo Gott gelästert wird, da können wir es getrost Gott überlassen, wie er damit umgeht. Das müssen nicht wir in die Hand nehmen.
In dieser Hinsicht war Paulus innerlich verblendet. Diese Verblendung wird ihm bewusst, als er durch eine Lichterscheinung vom Himmel äußerlich geblendet zu Boden stürzt. Christus holt ihn gleichsam herunter von seinem hohen Ross, von seiner Überheblichkeit.
Völlig hilflos ist er auf die Unterstützung seiner Mitreisenden angewiesen. Die bringen ihn in die Stadt Damaskus. Paulus stürzt in eine Lebenskrise. Was ihm bislang als Lebensaufgabe galt, erscheint ihm nun plötzlich sinnlos und falsch. Drei Tage lang kann er nichts sehen. Er fastet und er betet, so erzählt es Lukas im Fortgang der Geschichte. Fasten ist Ausdruck seiner Buße, seines Sinneswandels. Und das Gebet macht deutlich, dass er nun aufrichtig Gott sucht. Nicht mehr im Eifer, sondern in Demut.
Drei Tage. Das erinnert an den Propheten Jona, der drei Tage im Bauch des Fisches weilte, weil er vor dem Auftrag Gottes floh und von Gott zurückgeholt wurde. Jesus war drei Tage im Grab. Nicht nur Lukas, sondern Paulus selbst beschreibt die Wende in seinem Leben selbst als eine Ostererfahrung. Der auferstandene Christus ist ihm begegnet. Paulus reiht sich ein in die Osterzeugen. Diese Erscheinung verstand er als Berufung zum Völkerapostel. Den Nicht-Juden soll er das Evangelium bringen.
In Damaskus wird Paulus durch Hananias, dem dortigen christlichen Gemeindeleiter, geheilt und schließlich getauft.
Sein Charakter verändert sich dadurch nicht.
Mit derselben Tatkraft und Überzeugung, mit der Paulus vormals für die jüdische Lehre eintrat, verkündet er nun das Evangelium.
Doch Paulus hat einen neuen Bezugsrahmen gefunden:
Der Bezugsrahmen für Paulus ist nicht mehr ein beleidigter, zürnender und strafender Gott, sondern Christus, der die Feindesliebe gepredigt hat: „Ich aber sage euch: Liebet euer Feinde.“
Paulus erlebte es ganz persönlich: Er war ein Feind Jesu Christi und wurde dennoch von ihm geliebt. Das hat ihn buchstäblich umgehauen. Lukas erzählt weiter, wie sich Hananias zunächst dagegen gewehrt hat, zu Paulus zu gehen, von dem er nur Böses gehört hatte.
Doch schließlich legte Hananias ihm die Hände auf und machte ihn wieder sehend.
So segnete Hananias, der Verfolgte, seinen Feind und sprach Paulus eine neue Identität zu: „Bruder Saul, du gehörst nun zu uns, zu denen, die nicht mit bösen Geistern, sondern mit dem Heiligen Geist erfüllt werden.“ Hier wird der neue Bezugsrahmen sehr klar angesprochen.
Es ist Gemeinschaft mit denen, die sich zu Jesus Christus halten und seinen Namen anrufen. Die zu Jesus Christus beten, weil er lebt. Das war der neue Weg. Das gab es vorher noch nicht. Paulus fand zu diesem neuen Weg. Auch Barbara Merk. Viele Menschen haben es damals der frommen Bärbel abgespürt, dass sie eng mit Christus verbunden lebte. Pfarrer haben sie besucht und viele Leute, die ins christliche Erholungsheim in Rehweiler kamen oder auch Teilnehmer an den Winterfreizeiten in Haag.
Paulus wurde von Christus erleuchetet, im Leben von Barbara Merk wurde es hell durch Christus, und wir dürfen es auch immer wieder erleben, dass uns Christus nahekommt. "Er ist das Licht und wir der Schein." (So werden wir am kommenden Sonntag im Kirchweihgottesdienst in Rehweiler singen mit einem Lied von Zinzendorf.) Es ist spürbar und strahlt aus, wo Menschen verbunden mit Christus leben. Dazu schenke uns Gott seine Gnade.