Kirchweih. Das Wort sagt es. Es geht um die Kirche. Um die Erinnerung an ihre Einweihung, von der ich nichts Näheres weiß.
Fakt ist: Dürrnbuch hat diese besondere Friedhofskapelle.
Im Abschnitt aus dem Hebräerbrief war vom Eingang in das Heiligtum die Rede und vom Hinzutreten in das Haus Gottes.
Das will ich zuerst einmal ganz wörtlich auffassen. Wir alle haben uns auf den Weg gemacht. Zu Fuß. Mit dem Rad. Mit dem Auto. Wir haben uns in dieser Kapelle eingefunden, um gemeinsam diesen Gottesdienst zu feiern.
In diesem äußeren Kommen liegt für den Hebräerbrief schon ein Bekenntnis. Wer zum Heiligtum hinzutritt, zeigt, dass ihm der Glaube wichtig ist. Dass er am Glauben festhalten will, ja, dass er an Gott festhalten will.
Das äußere Kommen und Mitmachen ist für den Hebräerbrief die Voraussetzung dafür, dass man auch inhaltlich und innerlich dabeibleibt und festhält am Bekenntnis.
Das Bekenntnis wird genauer gefasst als Bekenntnis der Hoffnung:
Lasst uns festhalten an dem Bekenntnis der Hoffnung und nicht wanken.
Der Gottesdienst ist der Ort, wo wir miteinander unsere Hoffnung auf Gott ausdrücken.
Das Hinzutreten, das Kommen zum Gottesdienst und das Festhalten am Bekenntnis der Hoffnung gehören also eng zusammen. Am Bekenntnis der Hoffnung festzuhalten war damals in Zeiten der Christenverfolgung nicht leicht, und es ist es heute auch nicht unter anderen Vorzeichen.
Es gibt vieles, was uns die Hoffnung auf eine gute Zukunft raubt.
Das kratzt auch an unserer Hoffnung auf Gott.
Heute ist Volkstrauertag. Wir erinnern uns an die sinnlosen Opfer der Kriege.
Wir sehnen uns nach Frieden, wir beten um ein Ende der Kampfhandlungen - aber die Kriege gehen weiter.
Derzeit sind wir in Deutschland nicht in direkte Kriegshandlungen involviert. Bei uns gibt es keinen Alarm, keine Bombeneinschläge, wie es die Menschen in der Ukraine ständig erleiden. Wenn ich die Briefe meiner Großeltern aus dem 2. Weltkrieg lese, ist das anders. Da war die Zivilbevölkerung in Deutschland auch bedroht.
Ich zitiere aus einem Brief meiner Oma, den sie am 7. Dezember.1944 an meinen Opa schrieb, wenige Tage vor dessen Tod im Elsaß:
„Lieber Hans… Der Winter wird hart. Die vielen Saarländer, die nun wieder hier sind. Alles ist auf der Wanderung von Ost und West, Nord und Süd nach der Mitte…
Wohin man blickt, Ärger, Not, Verdruß + Kummer im Großen wie im Kleinen. Ich kann mich nicht aufraffen, etwas anderes als ich denke zu schreiben. Denn jedes Wort auch auf Hoffnung klingt banal. Die Wirklichkeit ist zu erschütternd, als daß man sie übergehen könnte.
Leb wohl. Herzlich grüßt Dich Deine Elisabeth
Wahrscheinlich war das der letzte Brief, den mein Opa von ihr gelesen hat.
Er wurde am 12. Dezember 1944 von amerikanischen Soldaten erschossen und erst 10 Tage später von einem Förster in einem Waldstück gefunden.
Es berührt mich, wenn ich mir vorstelle: Da schreibt meine Oma ohne große Hoffnung. Ihr „Leb wohl“ war unbewusst ein Abschiedsgruß für immer. Sie schreibt im selben Brief von ihrer Mühe, die Wohnung in Hof zu beheizen. Die Versorgung ist schwierig. Ständig ist Fliegeralarm.
Am 2. Januar 1945 raffte sie sich wieder einmal auf zum Schreiben, nichts wissend, dass ihr Mann schon tot war. Sie schrieb:
Mein innig geliebter Mann!
Eben vom Alarm hochgestiegen ½ 9 abends will ich wenigsten beginnen, damit ein Brief zustande kommt.
Wenngleich keine neue Nachricht von dir da ist… Jedenfalls wirst du auch keine Post haben, weil nichts durchkommt vor lauter Alarm, der ja nicht abreißt. Heute abend waren sie sicher in Nürnberg, denn bis weit in die Marienstraße sah man das Aufblitzen des Flakfeuers.
Rudi Huber schrieb heute, dass von München nichts mehr stehe…
… Holz, das mir Fr. Rechner 2 Taschen gebracht hatte, ist alle, die Wehrmachtzeitungen auch bald, ein Teil der Briefe, ich werd sie bald alle in den Ofen schüren, dann hat die Poesie ein End. So geht’s vielen, die Leute verschenken untereinander Holz und Kohlen wie früher das Obst…
Im Vordergrund allen Denkens steht aber dauernd der brennende Wunsch, daß der Krieg ein Ende hätte, dann begänne wieder ein ganz anderes Leben, wenns uns überhaupt noch vergönnt ist. Eine Frage bleibt auch für den Fall des Sieges offen: Was kommt danach? Manchmal dachte ich in den letzten Tagen, eines Morgens dröhnt durch den Radio eine Alarmmeldung: „Zu Ende“: Wie wird das sein, wenns soweit ist? Aber nach menschlichem Ermessen sieht man noch nichts. Nun behüt Dich Gott und komme bald heim. Ich bin grenzenlos müde. Wenn sies alle wären, hätte der Krieg schon längst ein Ende. Herzlich denkt dein
Deine Elisabeth
Liebe Gemeinde,
ich habe das Gefühl, die Frage meiner Oma von damals wandert durch die Zeiten: Wann ist der Krieg zu Ende? Eine Frage, die auch wir heute nicht beantworten können.
Der Krieg ist ein Dämon. Niemand beherrscht ihn. Wer Krieg führt, den führt bald der Krieg. Nach seiner eigenen Logik. Putin und seine Gefolgsleute haben sich verkalkuliert und sind unfähig, das zuzugeben.
Wo der Krieg sich festgesetzt hat, bleibt er. Wo er sich eingenistet hat, dauert es lange, bis er wieder vertrieben ist.
Denn der Krieg tötet nicht nur, der Krieg zerstört nicht nur Städte, Dörfer und die Umwelt. Er zerstört seelisch, auch ohne dass vor Ort Kugeln fliegen. Er zerstört Vertrauen, er zerstört Sicherheit, er zerstört Visionen und Pläne, er zerstört Hoffnungen.
Und auch nach einem Krieg tobt er weiter in den Köpfen der Menschen, in den Familien, in den Freundeskreisen. Er lebt weiter und geistert durch die Gedanken, macht das Leben hart und schwer. Krieg hinterlässt Narben und Wunden.
Doch es wäre fatal, wenn wir den Gefühlen der Ohnmacht und der Resignation nichts entgegenstellen würden.
Um es mit dem Hebräerbrief zu sagen: Als Christen sind wir aufgerufen, am Bekenntnis der Hoffnung festzuhalten und den Spuren Jesu zu folgen, der die Friedensstifter selig preist.
Der Hebräerbrief führt das fort, wenn es da heißt: lasst uns aufeinander achthaben und einander anspornen zur Liebe und zu guten Werken.
Aufeinander achten. Füreinander da sein. Zusammenhalten. Damit beginnt alles. Darin wird Hoffnung konkret. Lasst uns das tun. Gemeinsam. Zusammen. Zusammenhalt. Solidarität.
Die Bibel kennt das Wort Solidarität nicht. Die Bibel nennt Solidarität anders. Sie nennt es Nächstenliebe.
Die Kirchweih kann und soll auch dazu dienen, dass der Zusammenhalt vor Ort gestärkt wird.
Aufeinander achten, Gutes tun, bei der Liebe bleiben und zusammenhalten – das ist uns aufgetragen in den gegenwärtigen Krisen und den kommenden.
Für Zinzendorf ging der Zusammenhalt von Christus aus. Wenn alle sich an Christus orientieren, wachsen sie zu einer Gemeinschaft zusammen.
Davon singen wir nun mit seinem Lied „Herz und Herz vereint zusammen, sucht in Gottes Herzen Ruh…“
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