Philadelphia war zu biblischer Zeit eine Stadt in der heutigen Türkei. Die christliche Gemeinde in Philadelphia wird in der Offenbarung des Johannes dafür gelobt, dass sie während der Christenverfolgung standhaft blieb. Philadelphia wurde im 2. Jahrhundert v. Chr. von dem pergamenischen König Attalos II. Philadelphos gegründet. Der Name (Philadelphia = „Bruderliebe“) geht auf die enge Beziehung zwischen Attalos und seinem Bruder Eumenes II. zurück. Die Stadt wurde mehrmals von Erdbeben zerstört und wieder aufgebaut.
In den USA gibt es auch eine Stadt mit dem gleichen Namen. Die amerikanische Stadt Philadelphia, nach der auch der in den USA erfundene Frischkäse benannt ist. Philadelphia wurde von William Penn 1681 als Hauptstadt für die Quäker-Kolonie Pennsylvania gegründet. Bewusst gab er der neuen Stadt einen biblischen Namen aus der Offenbarung 3: Philadelphia - Ort brüderlicher Liebe‘ oder ‚Bruderliebe‘. Der Name soll Programm sein. Die Quäker zählen zu den Friedenskirchen. Sie lehnen Gewalt und alles Militärische als Mittel zur Konfliktlösung ab. Die Quäker waren eine endzeitliche Erweckungsbewegung in England. Sie wanderten im 17. Jh. nach Amerika aus, um dort in Freiheit ihren Glauben leben zu können. 2008 konnte ich auf einer USA-Reise mit meiner Familie eine alte Kirche der Quäker in Philadelphia besuchen. Das ist mir wieder in den Sinn gekommen, als ich den Predigttext für heute las. Es ist ein Brief, den der Seher Johannes an die Gemeinde in Philadelphia schrieb.
Mit dem Engel der Gemeinde ist die ganze Gemeinde gemeint. Offb. 3, 7-13
7»Schreib an den Engel der Gemeinde in Philadelphia: ›So spricht der Heilige, der Wahrhaftige, der den Schlüssel Davids hat.– Was er öffnet, kann niemand wieder schließen. Und was er schließt, kann niemand wieder öffnen. – Er lässt euch sagen: 8Ich kenne deine Taten. Sieh hin, ich habe vor dir eine Tür geöffnet, die niemand wieder schließen kann. Du hast zwar nur wenig Kraft. Aber dennoch hast du an meinem Wort festgehalten und hast meinen Namen nicht verleugnet. 9Ich schicke nun einige Leute zu dir, die zur Versammlung des Satans gehören.
Sie bezeichnen sich selbst als Juden. Aber das sind sie nicht, vielmehr lügen sie. Ich werde sie dazu bringen, dass sie zu dir kommen und sich vor deinen Füßen niederwerfen. Sie sollen erkennen, dass ich dich geliebt habe. 10Du hast dich an mein Wort gehalten, standhaft zu bleiben. Deshalb halte ich auch in der Stunde zu dir, wenn alles auf die Probe gestellt wird. Sie wird über die ganze Welt hereinbrechen, um die Bewohner der Erde zu prüfen. 11Ich komme bald. Halte an dem fest, was du hast, damit dir niemand den Siegeskranz wegnimmt.
12Wer siegreich ist und standhaft im Glauben, den werde ich zu einer Säule machen im Tempel meines Gottes. Er wird ihn nie mehr verlassen müssen. Ich werde den Namen meines Gottes auf ihn schreiben und den Namen der Stadt meines Gottes. Diese Stadt ist das neue Jerusalem, das von meinem Gott aus dem Himmel herabkommen wird. Auch meinen neuen Namen werde ich auf ihn schreiben.‹13Wer ein Ohr dafür hat, soll gut zuhören, was der Geist Gottes den Gemeinden sagt!«
Liebe Gemeinde!
Ein sperriger Text, voller fremder Bilder. Passt er zu uns? Können wir ihn hören? Vielleicht müssen wir seine Botschaft für uns etwas herausschälen. Sperrig ist der Text nicht zuletzt deswegen, weil die Christen damals unter großem äußeren Druck standen: Sie sollten nicht Christus, sondern den römischen Kaiser verehren. Dann gab es wohl auch einen Konflikt mit vorgeblichen Juden, die aber keine Juden waren. Wie man sich das genau vorstellen muss, bleibt unklar. Es waren Leute, die von sich behaupteten, die eigentlich Auserwählten zu sein, Gottes Volk, die wahre Versammlung Gottes. Sie werden als „Synagoge“, d.h. als „Versammlung“ des Satans bezeichnet, als Versammlung des Verführers.
Wenn wir dieses Bild von der Versammlung des Verführers auf uns wirken lassen, fallen uns wahrscheinlich auch Dinge aus unserer Zeit ein.
Versammlung des Satans. Ich denke da an Menschen, die blind einer menschenverachtenden Ideologie anhängen.
Terroristen, die meinen, für ihre heilige Sache das Recht zu haben, unschuldige Menschen umzubringen.
Oder Putin und seine Gefolgsleute, die sich ebenfalls einer größenwahnsinnigen Idee verschrieben haben und ein altes Zarenreich wiederherstellen wollen, statt mit den Nachbarn vertraglich geregelt in Frieden zusammenzuleben.
Und was man aus China hört, das Russland unterstützt, ist auch beunruhigend. Wir haben erlebt, wie China mit der Sonderzone Hongkong umgegangen ist. Nun die chinesischen Machtansprüche auf Taiwan, die militärischen Drohgebärden und der zunehmende Handels- und Wirtschaftskonflikt mit dem Westen.
Bei dem Bild von der Versammlung des Satans, des Verführers, muss ich auch an Verschwörungstheorien denken, die es in unserem Land zahlreich gibt: bei Reichsbürgern, Rechtsextermen, Linksextremen.
Was in unserem Predigttext antijüdisch klingt, müssen wir kritisch betrachten. „Synagoge des Satans“. So können wir nicht von unseren jüdischen Geschwistern reden. Die Haltung des Antisemitismus, die alles Jüdische verteufelt, gehört selbst zur Versammlung des Satans, des Verführers, der Feindbilder schürt und Gewalt sät. Das hat in einer christlichen Gemeinde nichts zu suchen. Da gilt es Flagge zu zeigen – besonders jetzt, wo antisemitische Straftaten zunehmen.
„Krisenmodus“ ist zum Wort des Jahres gewählt worden.
Wir leben in unruhigen Zeiten.
Aber wir dürfen nicht nur schwarzsehen und schwarzmalen.
Trotz der angespannten Situation, die für viele Menschen in unserem Land nicht einfach ist, sollten wir das Gute nicht übersehen.
Ein Patient im Krankenhaus Gerolzhofen war sehr zufrieden mit der Versorgung und meinte: „Wer auf unser medizinische Versorgung schimpft, der soll erst einmal in andere Länder gehen, der gehört ausgepeitscht.“ Bei allen Problemen das Gute nicht übersehen!
Wir leben in einem freien Land, noch. Die Antidemokraten zu wählen, die auch eine Versammlung des Verführers sind, ist für Christen keine Option. Kommen sie an die Macht, können wir uns auf eine Angst- und Gewaltherrschaft einstellen.
Hinter den Problemen in Philadelphia, dem Ort der Bruderliebe, hören wir aus unserem Predigttext aber auch Worte, die trösten und berühren können. Der Seher Johannes, der die Offenbarung geschrieben hat, lässt der Gemeinde in Philadelphia Worte des auferstandenen Christus ausrichten. Christus sagt: Siehe, ich habe vor dir eine Tür geöffnet, die niemand wieder schließen kann. Du hast zwar nur wenig Kraft. Aber dennoch hast du an meinem Wort festgehalten und hast meinen Namen nicht verleugnet.
Christus selbst kümmert sich um die Gemeinde, die wenig Kraft hat, aber doch treu zu Jesus hält. Wenig Kraft, da könnten wir uns auch so manches erzählen. Wie sieht es bei uns aus. Manchmal wünschte man sich mehr Kraft für vieles, auch für ein fröhliches Christsein. Doch es liegt letztlich nicht an uns, sondern an Christus, der das Entscheidende getan hat. Christus selbst wird aus der Versammlung des Satans Leute verändern, die in die Gemeinde kommen und erkennen, dass Christus die Gemeinde liebt. Christus schließt die Tür zu Gott auf. Er ist der Mittler. Durch ihn haben wir Zugang zu Gott. Durch ihn wissen, glauben und hoffen wir, dass Gott Gutes mit uns im Sinn hat. Die anderen Bilder unterstreichen das: Wir dürfen auf eine Krone hoffen, auf den Siegeskranz. Ja schon jetzt krönt uns Gott mit Gnade und Barmherzigkeit: Halte an dem fest, was du hast, damit dir niemand den Siegeskranz wegnimmt. Wie aktuell! – angesichts der zunehmenden Entkirchlichung! Merken die, die die Kirchen verlassen, dass ihnen auch etwas verloren geht, dass der Gesellschaft insgesamt etwas verloren geht? Den Treuen wird schließlich verheißen: Wer siegreich ist und standhaft im Glauben, den werde ich zu einer Säule machen im Tempel meines Gottes. Er wird ihn nie mehr verlassen müssen.
Die Bezeichnung „Säulen“ war in der Urgemeinde ein Ehrentitel für die Leiter der Gemeinde. Säule sein. An bedeutender Stelle eingefügt sein im Bau der Gemeinde.
Und dann noch das Bild vom himmlischen Jerusalem, das sicher ein wahres Philadelphia sein wird, ein Ort der geschwisterlichen Liebe.
Und alle werden den Namen Christi tragen, denn sie gehören zu dem, der den Tod bereits überwunden hat. Sie werden für immer in der Stadt Gottes leben. Welch eine Schau. Bei aller Geschäftigkeit, die uns in der Adventszeit vor Weihnachten wieder befallen mag, und bei allen düsteren Blicken in die Zukunft, wird uns heute eine andere Blickrichtung empfohlen hin zu dem, der sagt: Siehe, ich komme bald. Halte fest, was du hast, damit niemand deine Krone nehme.
Und der Friede Gottes, der all unser Verstehen übersteigt, bewahre eure Gedanken und Gefühle in der Gemeinschaft mit Jesus Christus.