Osterpredigt mit Steffensky's Aufruf zum Plagiat

Als Predigttext für dieses Osterfest dient uns ein uraltes Lied. Es handelt von Tod und neuem Leben in einem übertragenen Sinn. Im Sinn von Demütigung und Errettung. Es fällt auf, dass beides, Schweres und Gutes, Gott zugeschrieben wird. Dabei ist zu bedenken, dass es ein Lied ist, keine philosophische Abhandlung. Im Lied wird das Vertrauen zu Gott ausgedrückt, der im Schweren und im Guten da ist, wenn auch verborgen.  
Der Herr tötet und macht und lebendig, er führt hinab zu den Toten und wieder herauf“, so heißt es in einem Vers.
Wie beim Geschehen von Karfreitag und Ostern. Beides sahen die ersten Christen nicht losgelöst von Gott. Der Karfreitag ist die große Anfrage an Gott, Ostern seine Antwort.
Doch dieses Lied aus dem 1. Buch Samuel 2 ist viel älter als das Osterfest. Schon viele 100 Jahre vor Christus haben es Menschen in ihren Gottesdiensten gesungen.
Sie haben dabei wohl an vielerlei gedacht, jeder auf seine Weise.
So geht es uns ja auch mit unseren Kirchenliedern. Wir singen dasselbe Lied, und jede und jeder hat dabei eigene Gedanken und Empfindungen und verbindet es mit eigenen Lebenserfahrungen.
Der Herr tötet und macht lebendig“:
Als sie das damals im Tempel sangen, mag einer an die Genesung von einer schlimmen Krankheit gedacht haben, andere an den Neuanfang nach den Verwüstungen eines Krieges, an eine gute Ernte nach mancherlei Missernten, an unerwartete Hilfe in einer gefährlichen Situation, an neuen Lebensmut nach dem Verlust eines Menschen.
Der Herr tötet und macht lebendig“.
Fällt Ihnen eine Erfahrung ein, wo sich in Ihrem Leben etwas zum Guten gewendet hat? Wo sie aufatmen und sich wieder von Herzen freuen konnten? Tragen Sie es einfach in dieses alte Lied ein!
Hanna betete und sprach:
Mein Herz ist voll Freude über den HERRN. Der HERR hat mich wieder stark gemacht. Mein Mund lacht über meine Feinde. Denn ich freue mich über deine Hilfe. Keiner ist so heilig wie der HERR, denn es gibt keinen Gott außer dir. Kein Fels steht so fest wie unser Gott. Der HERR macht arm und macht reich. Er drückt nieder und richtet wieder auf. Den Geringen zieht er aus dem Staub, den Armen holt er aus dem Dreck. Seinen Platz gibt er ihm bei den Fürsten und lässt ihn mit Würde auf einem Thron sitzen.

Liebe Gemeinde,
Hanna ist eine der beiden Frauen von Elkana. Ihr Problem war: Sie wurde nicht schwanger. Viele Demütigungen und Erniedrigungen musste sie deshalb ertragen. Bis sich ihr Geschick wendete. Das geschah so: Eines Tages ging sie in den Tempel von Silo und klagte Gott ihr Leid. Und das Wunder geschah. Hanna wurde doch noch schwanger. Aus Dankbarkeit nennt sie ihren Sohn „Samuel“, zu Deutsch „der von Gott Erbetene. Als Samuel drei Jahre alt war, brachte sie ihn in den Tempel, um ihn vom Priester Eli erziehen zu lassen.
Voll Freude stimmt Hanna bei dieser Gelegenheit dieses Danklied an:
Mein Herz ist voll Freude über den HERRN. Der HERR hat mich wieder stark gemacht. Mein Mund lacht über meine Feinde. Denn ich freue mich über deine Hilfe. Luther übersetzt: denn ich freue mich meines Heils.
Liebe Gemeinde! Zu Ostern gehören fröhliche Lieder. „Mein Herz ist voll Freude über den HERRN.“ Wir können das als Christen auf Jesus beziehen, den Gott auferweckt hat und der bei uns ist alle Tage bis an der Welt Ende. Ich freue mich meines Heils.
Wir pflegen die Tradition, dass wir in den Ostergottesdiensten in der Regel am Ende das Lied singen: „Christ ist erstanden von der Marter alle; des solln wir alle froh sein.“
Dieses Lied gilt als der älteste erhaltene liturgische Gesang in deutscher Sprache und ist gut 1000 Jahre alt. Beim Singen dieses von vielen Glaubenshänden abgegriffenen Liedes verbinden wir uns mit all denen, die es vor uns gesungen haben.
Der Theologe Fulbert Steffensky hat intensiv über diesen Vorgang nachgedacht. Er sagt:

„Meine eigenen Lieder sind mir zu dürftig, wie mein eigener Glaube mir zu dürftig ist. Und so begehen wir Plagiate, wir schreiben unseren eigenen Glauben ab vom Glauben unserer Toten. Abschreiben vom Glauben anderer – auch das ist eine Weise des Glaubens. Ich frage nicht, ob die alten Texte und Lieder in allem theologisch korrekt und richtig sind. Ich besinne mich vielmehr darauf, dass es schön ist, Gast in diesen fremden Glaubensküchen zu sein. Ich gestehe, ich bin gerne Gast in fremden Häusern. Ich esse gerne an Tischen, die ich nicht selbst gedeckt, und deren Speise ich nicht selbst zubereitet habe. Ich koche gewöhnlich anders als meine Gastgeber, aber ich genieße die fremde Speise. Wer immer nur sein eigener Koch ist, dessen Zunge verdummt.
Wir sind in der Kirche Gast am Tisch einer fremden Sprache und einer alten Musik, Gast im fremden Glauben. Ich höre diese alte Sprache mit Humor, ich singe die alten Lieder mit Humor, und ich liebe sie. Es sind nicht meine eigenen Geschichten, in meiner eigenen Sprache erzählt. Ich liebe ihre Fremdheit. Ich kann in ihnen meinen Unglauben verstecken. Wer nur sich selber, die eigenen Gedanken und Lieder kennt, verdummt. Wir sind in der Kirche Gast im fremden Zelt ungewöhnlicher Gedanken und Worte. Ich bin in ihrem Zelt, und ich muss dort nicht ganz zu Hause sein. Wir sind Freigeister. Mit Wohnrecht an fremden Orten. Das heißt „in einer Tradition stehen“. Ich glaube meinen Toten ihren Glauben. Auch das ist eine Weise des Glaubens. Die Kirche – dir große „Teilete“ des Glaubens. „Teilete nennt man in der Schweiz das gemeinsame Essen, zu dem jeder Gast einen kleinen Teil mitbringe.“
Liebe Gemeinde!
Das Lied der Hanna ist älter als Ostern. Der Evangelist Lukas hat es aufgegriffen in seinem Evangelium. Er lässt es Maria singen, als sie mit Jesus schwanger ist und ihre Cousine Elisabeth besucht, die mit Johannes dem Täufer schwanger ist: „Magnificat anima mea dominum! Meine Seele erhebt den Herrn und mein Geist freut sich Gottes, meines Heilandes…
Wenn das Lied der Hanna mit der Geburt Jesu in Verbindung gebracht werden kann, dann erst recht mit seiner Auferweckung an Ostern. So dürfen wir das Lied der Hanna heute mitbeten. Wir dürfen uns anstecken lassen von der Freude über Gottes Handeln damals bei Hanna. Damals an Ostern. Und dabei öffnen wir uns für die Freude über Gottes Handeln in unserem Leben heute. Denn Gott schenkt Leben, jeden Tag neu. In wieviel Not hat nicht der gnädige Gott, über dir Flügel gebreitet. Wir haben Grund mit Hanna zu singen und zu danken:
Mein Herz ist voll Freude über den HERRN. Der HERR hat mich wieder stark gemacht. Mein Mund lacht über meine Feinde. Denn ich freue mich über deine Hilfe. Keiner ist so heilig wie der HERR, denn es gibt keinen Gott außer dir. Kein Fels steht so fest wie unser Gott. Der HERR macht arm und macht reich. Er drückt nieder und richtet wieder auf. Den Geringen zieht er aus dem Staub, den Armen holt er aus dem Dreck. Seinen Platz gibt er ihm bei den Fürsten und lässt ihn mit Würde auf einem Thron sitzen.
Halleluja.
Und der Friede Gottes, der all unser menschliches Verstehen übersteigt, bewahre eure Gedanken und Gefühle in der Gemeinschaft mit Jesus Christus.