Osternacht zwischen Vollmond und Sonnenaufgang

Ein Osterwitz: «Denkt der Pfarrer so für sich: Ich wünsche mir, dass in meinem Gottesdienst mal ein Wunder geschieht. Dann würden endlich alle glauben. Und dann passiert es ausgerechnet an Ostern. Eine Dame ruft gegen Schluss: ‹Herr Pfarrer, ich kann wieder laufen!› Der Pfarrer fällt auf die Knie, lobt Gott und fragt: ‹Wie ist das geschehen?› Und die Dame antwortet: ‹Sie haben so lange gepredigt, jetzt ist der Bus weg.’»

Johannes 21

1 Danach offenbarte sich Jesus abermals den Jüngern am See von Tiberias. Er offenbarte sich aber so: 2 Es waren beieinander Simon Petrus und Thomas, der Zwilling genannt wird, und Nathanael aus Kana in Galiläa und die Söhne des Zebedäus und zwei andere seiner Jünger. 3 Spricht Simon Petrus zu ihnen: Ich gehe fischen. Sie sprechen zu ihm: Wir kommen mit dir. Sie gingen hinaus und stiegen in das Boot, und in dieser Nacht fingen sie nichts.

4 Als es aber schon Morgen war, stand Jesus am Ufer, aber die Jünger wussten nicht, dass es Jesus war. 5 Spricht Jesus zu ihnen: Kinder, habt ihr nichts zu essen? Sie antworteten ihm: Nein. 6 Er aber sprach zu ihnen: Werft das Netz aus zur Rechten des Bootes, so werdet ihr finden. Da warfen sie es aus und konnten's nicht mehr ziehen wegen der Menge der Fische. 7 Da spricht der Jünger, den Jesus lieb hatte, zu Petrus: Es ist der Herr! Als Simon Petrus hörte: »Es ist der Herr«, da gürtete er sich das Obergewand um, denn er war nackt, und warf sich in den See. 8 Die andern Jünger aber kamen mit dem Boot, denn sie waren nicht fern vom Land, nur etwa zweihundert Ellen, und zogen das Netz mit den Fischen. 9 Als sie nun an Land stiegen, sahen sie ein Kohlenfeuer am Boden und Fisch darauf und Brot. 10 Spricht Jesus zu ihnen: Bringt von den Fischen, die ihr jetzt gefangen habt! 11 Simon Petrus stieg herauf und zog das Netz an Land, voll großer Fische, hundertdreiundfünfzig. Und obwohl es so viele waren, zerriss doch das Netz nicht. 12 Spricht Jesus zu ihnen: Kommt und haltet das Mahl!

Niemand aber unter den Jüngern wagte, ihn zu fragen: Wer bist du? Denn sie wussten: Es ist der Herr. 13 Da kommt Jesus und nimmt das Brot und gibt's ihnen, desgleichen auch den Fisch. 14 Das ist nun das dritte Mal, dass sich Jesus den Jüngern offenbarte, nachdem er von den Toten auferstanden war.

15 Da sie nun das Mahl gehalten hatten, spricht Jesus zu Simon Petrus: Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich mehr, als mich diese lieb haben? Er spricht zu ihm: Ja, Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe. Spricht Jesus zu ihm: Weide meine Lämmer! 16 Spricht er zum zweiten Mal zu ihm: Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieb? Er spricht zu ihm: Ja, Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe. Spricht Jesus zu ihm: Weide meine Schafe! 17 Spricht er zum dritten Mal zu ihm: Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieb? Petrus wurde traurig, weil er zum dritten Mal zu ihm sagte: Hast du mich lieb?, und sprach zu ihm: Herr, du weißt alle Dinge, du weißt, dass ich dich lieb habe. Spricht Jesus zu ihm: Weide meine Schafe!

Liebe Gemeinde!

„Sie gingen hinaus und stiegen in das Boot, und in dieser Nacht fingen sie nichts.“

Wir sind auch hinausgegangen. Noch bei Nacht. Wie die Jünger, die bei Nacht zum Fischen aufbrachen. Sie fingen nichts.

Werden wir mit leeren Herzen heimkommen?

Können wir Ostern selbst machen, indem wir eine Osternacht feiern?

Wir versuchen uns auf die Ostererzählungen einzulassen.

Sie reden von Jesus, wie er den Jüngern nach Ostern begegnet ist.

Sie nehmen uns mit und bringen uns mit dem Auferstandenen zusammen. Dabei oszillieren die Geschichten zwischen damals und heute, sie pendeln zwischen verschiedenen Ebenen.

Da wird vom Fischfang erzählt und eigentlich geht es um Mission.

Fische werden gefangen und zu Jesus gebracht, aber sie werden nicht verspeist. Hat bei der Speisung der 5000 ein kleiner Junge fünf Brot und zwei Fische, so reicht hier der Auferstandene den Jüngern Brot und gebratenen Fisch.

Auf ganz raffinierte Weise hält uns der Erzähler der Geschichte vom Fischfang einen Platz auf dem Boot frei. Denn es werden sechs Bootsinsassen aufgezählt: Petrus, Thomas, die Söhne des Zebedäus – also Jakobus und Johannes – und zwei andere Jünger ohne Namen. Einer von den beiden nicht genannten muss der Lieblingsjünger Jesu sein, der andere bleibt ganz anonym. Der steht für mich und dich.

Wir dürfen also dem namenlosen Jünger unseren Namen geben. –

So geht es uns im Leben. Wir finden uns immer wieder im Kreis von Menschen, die bereits auf verschiedene Weise mit Jesus zu tun hatten.

Der Kreis ändert sich. Er sieht anders aus bei der Kirchweih, beim Weltgebetstag, bei der Konfirmation, auf dem Schwanberg, bei einer Taufe oder bei einer Beerdigung in der Gemeinde oder auswärts usw.

Keine Gemeinde ist gleich. Selbst die Gemeinden in unserer Pfarrei Rehweiler sind verschieden wie es die Menschen sind.

Als Pfarrer erlebt man das besonders durch den Wechsel von einer Gemeinde in eine andere. Es ist schön, mit ins Boot genommen zu werden und Teil einer Gemeinschaft zu sein, die zusammenhält.

Es heißt in der Erzählung, dass die Jünger in dieser Nacht keine Fische fingen. Nach erfolgloser Arbeit treffen sie in aller Morgenfrühe einen Mann am Strand.

Wie die Emmausjünger erkennen sie Jesus nach seiner Auferstehung nicht gleich. Der fragt sie nach Fischen für eine Mahlzeit. Aber die Jünger haben ja keine gefangen. Weil Jesus sie bittet, fahren sie nochmals mit ihrem Boot auf den See und machen einen unerwarteten Fang. Überrascht von diesem wunderbaren Ereignis erkennt der Lieblingsjünger, dass der Fremde der Herr ist. Er sagt es Petrus. Sofort will Petrus der erste bei Jesus sein. Er springt ins Wasser und watet Jesus entgegen. Von der eigentlichen Begegnung zwischen Jesus und Petrus wird erst später erzählt. Vorher geschehen andere Dinge:

Auf wundersame Weise hat Jesus bereits Fisch und Brot auf dem Feuer. Es ist ein geheimnisvolles Mahl, das die Jünger erwartet.

Die Erzählung spielt auf die Speisung der 5000 an, wo auch Brot und Fisch genannt werden.

Und sie erinnert an das letzte Abendmahl, wo Jesus Brot austeilt.

Obwohl schon Fisch da ist, bittet Jesus, die gefangenen Fische an Land, d.h. zu ihm, zu bringen. Es fällt auf, dass Simon Petrus allein das Netz an Land zieht. Dadurch wird zweierlei angedeutet. Es geht hier letztlich nicht um das alte Fischerhandwerk, sondern im übertragenen Sinn um die Mission. Und es geht um die Leitungsfunktion, die Petrus in der ersten Gemeinde innehatte. „Simon Petrus stieg herauf und zog das Netz an Land.“

Die große Menge der Fische wird mit genau 153 angegeben. Verschiedene Deutungen laufen auf etwas Ähnliches hinaus:

Die Zahl 153 steht für alle damals bekannten Völker.

Der Sinn ist: Durch die Mission entsteht eine Gemeinschaft aus allen Nationen. Weil es in der Erzählung um die diese übertragene Ebene geht, wird von den 153 Fischen auch keiner verspeist. Denn es ist eine Missionsgeschichte, die den Auftrag des Auferstandenen illustriert: Geht hin in alle Welt und macht zu Jüngern alle Völker. Dieser österliche Impuls hat dazu geführt, dass es heute rings um unseren Globus Christen gibt.

Ostern ist ein Fest, das überall auf der Welt gefeiert wird. Es verbindet die Christen aller Konfessionen.

Ostern, das Fest der Auferstehung Jesu, ist das Herzstück unseres Glaubens. Bemerkenswert ist die Feststellung in der Erzählung: „Und obwohl es so viele Fische waren, zerriss doch das Netz nicht.“ Die Kirche wird hier als eine unzerreißbare Einheit gesehen, wenn sie auf Jesus Christus hin orientiert ist.

Dass die Wirklichkeit oft anders aussieht, das schmerzt.

Es schmerzt, dass Christen sich gegenseitig den rechten Glauben absprechen und andere aus dem Netz drängen.

Es schmerzt, wenn dogmatische Mauern hochgezogen werden und der Glaube zu einer Ideologie verkommt.

Es schmerzt, dass sich die russisch-orthodoxe Kirche Russlands so eng an das Putin-Regime gebunden hat und der Patriarch Kyrill kein kritisches Wort zum Krieg gegen die Ukraine findet. Immerhin geht es um einen Bruderkrieg unter orthodoxen Christen. Da wird Christus verleugnet. Da wird zum Auferstandenen, der den Seinen Frieden wünscht, gesagt: „Ich kenne ihn nicht.“

Christlicher Glaube ist von Anfang an nicht nationalistisch, weil es Jesus immer um alle Menschen ging.

Christus lädt alle ein zum Mahl. Die Jünger wagen nicht zu fragen: „Wer bist du? Denn sie wussten: Es ist der Herr.“

Offensichtlich bleibt auch da für die Jünger etwas in der Schwebe. Es bleibt eine eigentümliche Scheidewand, durch die Christus kommt.

Erst heißt es, dass Jesus die Jünger zum Mahl einlädt. Dann heißt es, dass er kommt. War er schon da? Kommt er erst? An diesem Mahl nehmen alle Jünger teil, auch Petrus. Er erfährt die Liebe des Auferstandenen neu. Und dann wird er dreimal von Jesus gefragt: „Hast du mich lieb?“ Das geht Petrus unter die Haut. Er will nicht behaupten, dass er Jesus mehr liebt als die anderen, aber er hat Jesus lieb. Mit dieser dreifachen Frage erfährt Petrus die Heilung seiner inneren Wunde, dass er Jesus dreimal verleugnet hat. Und er erfährt, dass Jesus ihn neu beauftragt zur Gemeindeleitung.

Ostern – wir sind mit den Jüngern im Boot.

Ostern – wir sind beauftragt, andere zu Jesus zu bringen.

Ostern – der Auferstandene tritt in unser Leben.

Ostern – Wir sind wie die Jünger eingeladen in die Tischgemeinschaft mit Jesus. Ostern ist ein frohes Fest und zieht uns zu Jesus hin.

 

Ein gesegnetes Osterfest,

Ihr Pfarrer Hans Gernert