Liebe Gemeinde! Gaudete! Freuet euch! Das ist die Überschrift über diesen Sonntag. Diese Aufmunterung trifft uns fünf Tage vor Weihnachten. Freuet euch! Gelingt uns das angesichts hoher Inzidenzen auch in Geiselwind?
Können wir uns freuen, wenn wir weiterhin Abstand von anderen Menschen halten sollen? Können wir uns freuen, wenn wir an die Zukunft denken? Ich gebe zu, das sind suggestive Fragen. Wenn ich mich mit solchen Fragen beschäftige, dann kommen mir Sorgen in den Sinn und die ersticken jegliche Freude. Es sei denn, ich kontere die Sorgen mit schwarzem Humor.
Luther wird das Wort zugeschrieben:
Dass die Vögel der Sorge und des Kummers über deinem Haupt fliegen, kannst du nicht ändern. Aber dass sie Nester in deinem Haar bauen, das kannst du verhindern.
Luther hat da eine Beobachtung gemacht, die ich durch die Gehirnforschung bestätigt finde: Man hat zwar mal eine Zeitlang gemeint, dass vor allem Frauen multitaskingfähig seien, dass sie also mehrere Dinge gleichzeitig tun könnten. Das wird von der Gehirnforschung so aber nicht bestätigt. Wir können uns in der Regel immer nur auf ein Ziel konzentrieren.
Wenn ich meine Achtsamkeit bewusst auf etwas Schönes richte, dann lenke ich sie weg von den Krisen der Welt und von dem, was mir Sorgen bereitet. Es geht nicht darum, Probleme zu verdrängen.
Es geht darum, mich nicht von negativen Gefühlen und Gedanken bestimmen zu lassen.
Ich soll der Herr im eigenen Haus bleiben, so wie das Luther meinte, als er sagte:
Dass die Vögel der Sorge und des Kummers über deinem Haupt fliegen, kannst du nicht ändern. Aber dass sie Nester in deinem Haar bauen, das kannst du verhindern.
Ich kann es beeinflussen, worauf ich meine Achtsamkeit lenke.
Meine Achtsamkeit auf etwas Angenehmes im Hier und Jetzt vertreibt das Gefühl der Angst und schafft Raum für die Freude.
Das können wir auch vom Apostel Paulus lernen. Er schrieb an die Christen in Philippi:
Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich: Freuet euch! Eure Güte lasst kund sein allen Menschen! Der Herr ist nahe! Sorgt euch um nichts, sondern in allen Dingen lasst eure Bitten in Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kundwerden! Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, wird eure Herzen und Sinne bewahren in Christus Jesus. (Phil. 4, 4-7)
Paulus war im Gefängnis, als er seinen dankbaren Brief an die Gemeinde in Philippi schrieb. Er hätte seine missliche Lage bedauern und herumjammern können. Tut er aber nicht. Gewiss wusste er nicht, was auf ihn zukommen wird und wie der Prozess ausgehen wird. Aber das beunruhigte ihn nicht, denn er wusste etwas Anderes: „Ich bin in jeder Situation mit Christus verbunden. Und die Christen in Philippi stehen zu mir, sie beten für mich und unterstützen mich. Es ist ein Geben und Nehmen.“ Darauf lenkt Paulus seine Achtsamkeit und die Achtsamkeit der Philipper. Mehrmals ruft er die Philipper darum zur Freude auf: Freuet euch!
Hinter der Fürsorge der Gemeinde für ihn nahm Paulus auch die Sorge der Philipper um ihn wahr. Darum betont er: Sorgt euch um nichts, sondern betet zu Gott. So wird Gottes Frieden mit euch sein.
Diese Worte klingen für mich wie die Worte eines Sterbenden, der seine Angehörigen tröstet: „Gott wird es schon richtigmachen. Er kennt meine Stunde. Und wenn es soweit ist, dann holt er mich zu sich. Freut euch, dass es so ist. Ihr braucht nicht weinen. Ihr braucht keine Angst haben. Er ist nahe.“
Wem in so einer Situation die Freude über Gottes Nähe und der Friede Gottes wichtig geworden ist, der steht über den Dingen, der hat einen Halt außerhalb seiner selbst gefunden.
Wie geht es uns, fünf Tage vor Weihnachten? Wir sind wahrscheinlich mehr mit uns selbst beschäftigt, sorgen uns um dies und jenes und meinen, wir müssten noch viel tun, damit wir uns freuen und fröhlich feiern können.
Der eine hat vielleicht schon alle Vorbereitungen für das Fest getroffen und wartet darauf, dass es endlich Heiligabend wird. Einen anderen hat ein Schicksalsschlag so getroffen, dass er keine Freude empfinden kann; dass er auch vieles, was um Weihnachten herum geschieht, als hohl oder gar verlogen ansieht. Und wieder andere stehen unter dem zwanghaften Müssen, das sich alle Jahre wieder vor dem Fest aufbaut: An dieses ist noch zu denken, das muss noch erledigt werden, an den muss ich noch schreiben, was soll ich denn dem noch schenken? Aber wird mein Geschenk dann auch wirklich Gefallen finden? Spätestens da kommt der Zweifel auf, ob ich denn die Freude selber machen kann. Freude ist nicht einfach machbar und sie ist erst recht nicht kaufbar. Freude steigt auch nicht so einfach aus unserem Inneren auf. Was aus unserem Inneren aufsteigt ist eher etwas ganz Anderes: manchmal das Mürrisch-Sein – „Mir ist alles zuviel!“ - oder die Wut, der Ärger, die Enttäuschung, die Traurigkeit und manches mehr. Das wächst bei uns von innen.
Freude, richtige Freude, wird von außen geweckt. Freude hat immer einen Grund - und der kommt in der Regel von außen.
Unsere Sprache zeigt es bereits: Ich freue mich an etwas, ich freue mich auf etwas - etwas tritt an mich heran, bewegt mich, macht mir Mut, schenkt mir Anerkennung, lässt mich Zuwendung erkennen, lässt mich aufhorchen, lässt mich hoffen, befreit mich aus meinen Zwängen und Ängsten... und löst Freude aus.
Es ist mit der Freude wie beim Glauben. Freude und Glauben bauen sich von außen auf, wenn etwas an uns herangetragen wird: das Wort, das mich trifft und mir weiterhilft, die freudige Nachricht von der Nähe und Liebe Gottes, das Weihnachtsgeschehen, dass Gott in einem Kind zur Welt kommt - all das erscheint von außen. Es kommt nicht aus uns heraus, das kommt von außen auf uns zu.
Deshalb ist ein fröhliches Weihnachten nicht planbar. Man kann sich nicht auf Befehl freuen. Man kann nicht ständig in Ekstase sein. „Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich: Freuet euch!... Der Herr ist nahe.“ Paulus nennt hier den Grund unserer Freude: Es ist der Herr. Weil wir in ihm leben, weil er uns nahe ist im Leben und im Tod, weil er um uns ist, darum kann Paulus sagen: Freuet euch in dem Herrn allewege! Das ist mehr als ein kurzes Gefühl.
Das ist eine Lebenseinstellung! Gefühle sind ja wechselhaft und können sich von einem zum anderen Augenblick ändern.
Eine Lebenseinstellung kann sich allerorts, allerwege durchhalten.
Auch bei Bonhoeffer entdecke ich diese Einstellung. Er wusste um seine wechselhaften Gefühle, um seine Fragen und Zweifel gerade auch in der Zelle. In dem Gedicht: „Wer bin ich“ sagt Bonhoeffer unter anderem: „Sie sagen mir oft, ich trüge die Tage des Unglücks gleichmütig, lächelnd und stolz, wie einer, der Siegen gewohnt ist. Bin ich das wirklich, was andere von mir sagen? Oder bin ich nur das, was ich selbst von mir weiß? Unruhig, sehnsüchtig, krank, ... müde und leer zum Beten... Wer bin ich? Einsames Fragen treibt mit mir Spott. Wer ich auch bin, Du kennst mich, Dein bin ich, o Gott.“
Bei Paulus und bei Bonhoeffer entdecke ich da Entsprechungen:
ein Loslassen-Können, ein sich Verlassen-Können auf den, der alles in seinen Händen hält.
Ihn zu entdecken mitten in unserem Leben, das macht den Grund zur echten Freude aus, einer Freude, die sich auch anderen mitteilen will. „Eure Güte lasst kundsein allen Menschen!“
Das kann ein ganz kleines Zeichen sein. Es müssen nicht teure Geschenke sein, die man auf den Weihnachtstisch legt. Gebt euch ein Zeichen des Friedens - gebt euch ein Zeichen des Verstehens - gebt euch ein Zeichen der Güte! Das baut nicht nur Gemeinde, das baut überhaupt Beziehungen auf; transparent werden, dass unsere Gefühle durchscheinen: unsere Güte, unsere Liebe, unser Zugewendet-Sein. Andere spüren lassen: Ich bin dir gut. Ich wende mich dir zu - weil Gott sich uns zugewandt hat.
Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich: Freuet euch! Eure Güte lasst kund sein allen Menschen! Der Herr ist nahe! Sorgt euch um nichts, sondern in allen Dingen lasst eure Bitten in Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kundwerden! Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, wird eure Herzen und Sinne bewahren in Christus Jesus.
Ich wünsche Ihnen ein frohes Zugehen auf das Fest der Geburt Christi.
Ihr Pfarrer Hans Gernert
Wir feiern die Chrsitvespern am Heiligabend an fünf Orten im Freien und laden Sie herzlich ein:
15 Uhr in Ebersbrunn vor dem Friedhof
15 Uhr in Füttersee vor der Kirche
16 Uhr in Wasserberndorf vor dem Saal der LKG
16:30 Uhr in Haag am Mehrgenerationenplatz mit Krippenspiel
18 Uhr in Rehweiler vor der Kirche