Liebe Gemeinde, ein Jahr geht zu Ende. Das zweite Jahr, in dem wir mit der Pandemie zu kämpfen hatten. Was das für die Kinder, für Familien, für das Gesundheitswesen, für die Wirtschaft usw. mit sich gebracht hat, ist ständiges Thema in den Medien.
Auch unser Gemeindeleben war durch Corona stark eingeschränkt.
Die gut angenommenen Krabbelgottesdienste konnten nicht fortgeführt werden.
Es gab keine Konfirmandenfreizeiten, zeitweise konnten sich die Konfirmanden nicht wie geplant treffen.
Die Konfirmationen wurden in die wärmere Jahreszeit verlegt.
Der gesellige Nachmittag musste mehrmals ausfallen.
Ein Gemeindefest gab es auch in diesem Jahr nicht.
Die Chöre konnten nur wenig proben und kaum auftreten.
Und doch gab es so manche Highlights in unserer Pfarrei.
Ich bin froh, dass das Wochenende mit Siegfried Zimmer Ende Juni an der Kaisereiche möglich war. Über das Bildungswerk haben wir im Nachhinein einen beträchtlichen Zuschuss erhalten, so dass für uns kaum Ausgaben zu Buche schlagen. Das Video von der Predigt über Psalm 1 an der Kaisereiche auf YouTube wurde inzwischen über 1600 Mal aufgerufen.
Die beiden Apfelbäume vor der Kirche in Rehweiler „Geflammter Kardinal“ und „Schöner von Herrnhut“ kamen neu zu Ehren. Gepflanzt wurden sie 1999 in ökumenischem Geist. Zum 3. Ökumenischen Kirchentag feierten wir während ihrer Blüte eine ökumenische Andacht und dann haben wir im Herbst mit ihren Äpfeln ein ökumenisches Kaffeetrinken an der Autobahnkirche veranstaltet.
Das 70-jährige Jubiläum des Fütterseer Posaunenchors konnte mit einem Festgottesdienst gefeiert werden.
In Ebersbrunn wurde neu mit dem Kindergottesdienst begonnen. Ein zartes Pflänzchen, das hoffentlich weiter gedeiht.
Das Jubiläum 100 Jahre Kirche in Haag im Jahr 2023 rückt näher und 2024 wird die Kirche in Rehweiler 250 Jahre alt und der CVJM-Haag kann auf 100 Jahre zurückschauen.
Bei all dem stellt sich dennoch manchmal die Frage, wie es weitergeht in unseren Kirchengemeinden.
Wo müssen wir Neues angehen und wagen?
Was lässt sich noch besser machen?
Wie können wir die vorhandenen Gaben nutzen und noch mehr zusammenarbeiten?
Um solche Fragen geht es beim Zukunftsprozess in unserer Landeskirche. In den Kirchenvorständen und bei der Dekanatssynode haben wir uns bereits damit beschäftigt.
Die Aufgaben sind deutlich: Wir wollen als Kirche einladend sein, auf die Menschen zugehen, in einer verständlichen Sprache von der Liebe Gottes sprechen, Menschen in Not wahrnehmen, in den verschiedenen Lebensphasen für sie da sein, nachhaltig und gerecht wirtschaften.
Die Menschenfreundlichkeit Gottes soll sich in unserem Leben und Glauben spiegeln. So wollen wir die Einladung Jesu weitergeben und nicht verdunkeln.
Bei Matthäus lautet die Einladung Jesu: „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken.“
Im Johannesevangelium klingt die Einladung Jesu so:
Joh. 6, 35 Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten. 36 Aber ich habe euch gesagt: Ihr habt mich gesehen und glaubt doch nicht. 37 Alles, was mir der Vater gibt, das kommt zu mir; und wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen.
Das sind Sätze aus der sogenannten Brotrede. Der Evangelist Johannes kennt keinen Bericht von der Einsetzung des Abendmahls. Dafür setzt er die Geschichte von der Speisung der 5000 mit einer langen Rede fort. Ich sehe es so, dass diese Rede nicht vom irdischen Jesus stammt, sondern ein tiefes, spirituelles Nachdenken über das Geheimnis des Abendmahls darstellt. Eine Abendmahlspredigt sozusagen.
Die Abendmahlsworte „Das ist mein Leib“ werden hier meditiert und entfaltet in einem Ich-bin-Wort: „Ich bin das Brot des Lebens.“
Wer Christus in sich aufnimmt, der nimmt das ewige Leben in sich auf. In der Brotrede heißt es aus dem Mund Christi: „Denn das ist der Wille meines Vaters, dass, wer den Sohn sieht und glaubt an ihn, das ewige Leben habe; und ich werde ihn auferwecken am Jüngsten Tage.“
In der Gemeinschaft mit Christus wird ewiges Leben geschenkt und zwar schon vor dem Tod. Durch den Glauben an Jesus Christus sollen wir das ewige Leben haben und Christus wird uns auferwecken am Jüngsten Tag. Wer also Christus als Brot des Lebens aufnimmt, wird nicht mehr hungrig. Christus, das Brot des Lebens, ist also mehr als das tägliche Brot, das uns nur vorübergehend satt macht.
In diesem Zusammenhang der Brotrede steht die Jahreslosung für 2022:
Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen.
Der irdische Jesus hat zu Gott und seinem Reich eingeladen.
In zahlreichen Gleichnissen erzählte Jesus vom Himmelreich, vom Reich Gottes, das nahe herbeigekommen ist. Er selbst sah sich als der Einladende. Im Gleichnis vom großen Abendmahl macht Jesus deutlich, dass alle zum Festmahl bei Gott eingeladen sind.
Genauso lädt Jesus mit dem Gleichnis vom barmherzigen Vater alle ein, sich für Gottes Barmherzigkeit zu öffnen. Nicht nur die Verlorenen, die Unreinen, die Verachteten in der Gestalt des jüngeren Sohnes, auch die Frommen in Gestalt des älteren Sohnes sollen mitfeiern und sich mitfreuen, wenn Menschen zu Gott zurückfinden. Jesus ist der Einladende. Er geht auf alle zu. Er hat keine Berührungsängste, selbst gegenüber Aussätzigen nicht.
Als Wanderprediger hat er sich gerade zu denen gesellt, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens standen. So sind die Worte im Johannesevangelium wahr und transparent auf das Leben Jesu hin:
Wer zu mir kommt, wer sich auf mich einlässt, den werde ich nicht abweisen – wörtlich: den werde ich nicht hinausstoßen.
Jeder, der sich einladen lässt, darf kommen, so wie er ist: zerlumpt wie der verlorene Sohn, als Außenseiter wie der Zöllner Zachäus, als Verräter wie Judas. Jesus wird niemanden aus seiner Nähe verstoßen. Das griechische Wort „ekbalo“ bedeutet gewaltsam hinauswerfen. Jesus wird niemand hinauswerfen, hinausstoßen.
Was hier negativ formuliert wird: nicht hinausstoßen, das wird im Johannesevangelium auch immer wieder positiv formuliert:
- „dass ich nichts verliere von allem, was er mir gegeben hat, sondern dass ichs auferwecke am Jüngsten Tage.“ (6,39 – zwei Sätze nach der Jahreslosung!);
- „auf dass alle, die an Jesus Christus glauben, gehen nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.“ (3, 16);
- „… niemand wird sie aus meiner Hand reißen“ (10,28)
- „ich habe sie bewahrt und keiner von ihnen ist verloren.“ (17,12; 18,9).
Ich finde das einen ungeheuer tröstlichen Gedanken am Ende dieses Jahres. Wer an Jesus Christus glaubt, wer in ihm das Brot des Lebens gefunden hat, das ewiges Leben schenkt, der darf in der Gewissheit leben und in das neue Jahr gehen: Christus wird mich nicht abweisen, sondern bewahren. –
So wie manchmal am Ende der Austeilung des Abendmahls das Segenswort steht: „Das stärke und bewahre dich im Glauben zum ewigen Leben.“
Wir sind hier, weil wir Bewahrte und Behütete sind.
Wir durften dieses Jahr bestehen.
Indem wir zum Gottesdienst kommen, indem wir singen und beten und auf die Stimme des guten Hirten hören, kommen wir zu ihm, unserem Herrn und hören seine Stimme: Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen.
Gewiss, unser irdisches Leben wird einmal enden. Wir wissen nur nicht wann und wie. Aber das dürfen wir getrost ihm überlassen, der uns versichert: Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen… und ich gebe ihnen das ewige Leben und sie werden nimmermehr umkommen, und niemand wird sie aus meiner Hand reißen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.
GEBET
Herr, unser Gott, am Ende dieses Jahres kommen wir zu dir, um uns zu vergewissern, dass uns nichts von deiner Liebe trennen kann.
Nichts, was uns im vergangenen Jahr zu schaffen gemacht hat.
Auch nicht die Zukunft, von der wir nicht wissen, was sie uns bringen wird. In Freude und in Leid sind wir geborgen bei dir, bewahrt zum ewigen Leben.
Lass uns aus diesem Vertrauen durchs Leben gehen.
Nicht wir sind es, die Menschen zum Glauben bringen, du selbst muss in jedem einzelnen wirken durch deinen Heiligen Geist.
Doch wir sehen auch, dass viele nicht zu dir kommen, weil sie keine guten Glaubensvorbilder hatte, weil sie von Kirchenvertretern enttäuscht, verletzt, nicht geachtet oder gar missbraucht wurden.
Vergib uns, wo wir deine Liebe nicht bezeugt und dein befreiendes Wort verdunkelt haben.
Hilf uns in unserer Kirche und in unseren Gemeinden einen fröhlichen, einladenden Glauben zu leben und durchsichtig zu werden für dich.
Lass die Kinder wachsen in deinem Licht.
Lass die Konfirmanden und die Konfirmierten weiter wachsen im Glauben.
Segne die Alleinstehenden und die Liebenden, die Lernenden und die Lehrenden, die Gesunden und die Kranken, die Glücklichen und die Traurigen.
Du bist das Licht und wir der Schein,
du der Meister, wir die Brüder und Schwerstern,
du bist unser, wird sind dein.
Lass uns so vereinigt leben aus deiner Zuwendung, in deiner Obhut.