Professor Heiner Bielefeldt von der Uni Erlangen gestaltete mit den Teilnehmern der Summer School einen Nachmittag zum Menschenrecht auf Religions- und Glaubensfreiheit, an dem Pfarrer Gernert teilnahm. Die Menschenrechte sind in erster Linie eine Antwort auf Leiderfahrungen – oft auch gegen religiöse Intoleranz. Darum greift islamische Kritik zu kurz, sie als einseitig westlich orientierte Werte zu diffamieren. Artikel 1 der Menschenrechte beginnt so: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.“ Vier Worte sind je für sich von großer Wichtigkeit: 1. Alle. In Bezug auf das Recht der Religionsfreiheit bedeutet „alle“, dass jeder Mensch seinen Glauben frei wählen kann. Jeder Mensch ist auch frei, seine Religion zu wechseln. Auch Nichtgläubige sind geschützt. Die Glaubensfreiheit schließt auch den Atheismus mit ein.
2. Menschen. Die Menschenrechte schützen die Menschen, und zwar alle, nicht eine einzelne Religion.
3. Frei. Die Freiheit des Religionswechsels und der Mission ist der Testfall für das Menschenrecht auf Religionsfreiheit. Saudi Arabien, Pakistan oder auch Indien erkennen die Menschenrechte nicht an. Ein Religionswechsel wird staatlich sanktioniert. So wird die Freiheit des einzelnen staatlich eingeschränkt.
4. Gleichheit: Jedem Menschen stehen die gleichen Rechte und die gleiche Würde zu. Niemand darf also diskriminiert werden.
Aus diesen Punkten folgt, dass sich ein Staat nicht mit einer Religion identifizieren darf. Vielmehr muss der Staat einen offenen Raum der Freiheit garantieren und schützen, in dem der einzelne frei seinen Glauben im Rahmen der staatlichen Gesetze leben kann. Die Neutralität des Staates soll allen Menschen ermöglichen, sich zum Beispiel in Deutschland zu Hause zu fühlen.
Das Recht auf Religionsfreiheit wird auf verschiedene Weise von Staaten verletzt:
a) durch Strafgesetze: Wo Abfall vom Glauben, Blasphemie oder Konversion staatlich unter Strafe gestellt sind.
b) durch administrative Schikanen: Wenn man für die Ausübung einer Religion eine staatliche Erlaubnis einholen muss. Oder wenn man für den Bau einer Kirche keine Genehmigung erhält.
c) durch religiöse Familiengesetze, die Frauen diskriminieren, interreligiöse Ehen verbieten oder bei Konversion das Sorgerecht aberkennen.
d) durch Schulbildung: Wenn Kinder in Myanmar durch eine Schule unfreiwillig zu Buddhisten erzogen werden.
e) Terrorismus achtet die Menschenrechte nicht.
Das Menschenrecht auf Religionsfreiheit wird verletzt
a) im Namen der Wahrheit: Man bekämpft Andersgläubige oder Ungläubige mit dem Staat als Exekutive für religiöse Anliegen. Dieses Motiv nimmt in der öffentlichen Wahrnehmung die größte Aufmerksamkeit ein.
b) im Namen der kollektiven Identität: Hier schränkt der Staat aus nationalistischen Gründen das Recht auf Religionsfreiheit ein, z.B. in Russland, wo ausländische Nichtregierungsorganisationen unter Verdacht gestellt werden; oder in Indien, wo eine nationalistische Hindu-Partei andere Religionen benachteiligt.
c) im Interesse der Kontrolle: Wo Ein-Parteien-Regierungen keine Opposition dulden (z.B. in China, Vietnam).
In Deutschland ist das Menschenrecht auf Religionsfreiheit positiv gefüllt: Der Staat schafft einen Raum, in dem sich Menschen mit verschiedenen Religionen entfalten können.