Gedanken vom Friedensgebet in der Autobahnkirche am 27.2.2022. - Liebe Schwestern und Brüder in Christus, Putin bricht das Völkerrecht und führt Krieg gegen die Ukraine. Die Nachrichten seit Donnerstag machen uns fassungslos und sprachlos. Ein Angriffskrieg in Europa. Putin, der die ukrainische Regierung verunglimpft als Nazis und Drogensüchtige, benimmt sich mit seinem Angriff selbst wie die Nazis, die 1939 nach einer Appeasement-Politik der Briten rechtswidrig in Polen einmarschiert sind.
Was können wir tun? Verhandeln hat nicht geholfen – wir sehen die schrecklichen Kriegsbilder – und spüren die eigene Ohnmacht.
In den sozialen Medien wird aktuell viel der Hashtag „PrayforUkraine“ geteilt, also „Betet für die Ukraine“.
Für uns als Christen ist Beten nicht die letzte Option, sondern eine wichtige Option. Denn Gott ist nicht nur ein Gott für die guten Zeiten, sondern auch für die schweren Zeiten.
Und es geschehen Dinge, die wir nicht so einfach einordnen können. Das war auch die Erfahrung vieler Menschen in der Corona-Pandemie. Der Soziologe Hartmut Rosa stellte im vergangenen Jahr 2021 fest, dass das Virus uns die Grenzen des Machbarkeitswahns aufgezeigt hat. „Wir können das Virus nicht sehen, hören, riechen, tasten oder schmecken. Damit untergräbt es unsere Selbstwirksamkeit. (...) Corona ist die Manifestation des Albtraums der Moderne.“
Und jetzt angesichts der Bombardierung der Ukraine durch Russland erfahren wir erneut diese Hilflosigkeit und Ohnmacht.
Wir merken: Wir haben unser Leben, wir haben diese Welt nicht im Griff. Hat Gott sie im Griff?
Immer wieder müssen wir uns an dieser Frage abarbeiten. Wir stellen uns ja Gott so vor, dass er die Liebe ist und auf Frieden bedacht. Er müsste doch die Guten schützen und stärken und die Bösen abhalten von ihrem bösen Tun. Aber es geschieht nicht.
Im Markusevangelium werden die nächsten Freunde Jesu so gezeichnet, dass sie erst in einem langen Prozess lernen mussten, wer Jesus wirklich ist und wie Gott an und durch ihn handelt.
Sie erlebten tolle Dinge mit Jesus. Er heilte Blinde.
Er machte Tausende satt. Er predigte kraftvoll. Petrus spricht aus: Du bist der Christus, du bist der Messias. Genau an diesem Punkt müssen die Jünger aber ihr Bild von Jesus korrigieren. Jesus kündigt an, dass er leiden muss, dass er getötet wird und nach drei Tagen auferstehen.
Vom Tod ihres Meisters wollten die Jünger und allen voran Petrus nichts wissen. Er will Jesus davor bewahren. Doch die Antwort Jesu darauf klingt brutal:
Jesus aber wandte sich um, sah seine Jünger an und bedrohte Petrus und sprach: Geh hinter mich, du Satan! Denn du meinst nicht, was göttlich, sondern was menschlich ist.
Jesus ist hier ehrlich. Er redet nicht um den heißen Brei. Aber trotz seiner schroffen Anrede bleibt Jesus dem Petrus zugewandt. Man kann es fast überhören. Jesus schließt niemanden aus. Vielmehr befiehlt er hier Petrus, sich wieder einzureihen. Geh hinter mich, du Satan, du Widersacher! Jesus unterscheidet zwischen den versucherischen Worten des Petrus und seiner Person. Wenn er zu Petrus sagt „geh hinter mich“, dann heißt das ja nicht „Hau ab!“, sondern „Folge mir nach!“
Warum Jesus leiden und sterben musste, wird im Markusevangelium nicht theoretisch beantwortet. Es gibt auch keine intellektuelle Antwort auf die Frage, warum Gott das Leid und den Krieg zulässt.
Jesus selbst stirbt mit dieser Frage auf den Lippen: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen.“ Diese Frage wird nicht aufgelöst. Jesus hält sie aus und stirbt mit ihr. Das sollte uns bescheiden und demütig sein lassen im Umgang mit dieser Frage, warum Gott Leid zulässt.
Doch andererseits ist dies auch der größte Trost, der vom Leiden und Sterben Jesu ausgeht. Er hat die schlimmsten Qualen selbst erlebt und durchgestanden. Darum vermag er als der Auferstandene denen nahe sein, die selbst solches durchmachen.
Darum können und wollen wir an ihm festhalten in den Anfechtungen unserer Zeit. In der Verbindung mit ihm werden wir bestärkt, uns für den Frieden einzusetzen gegen die bösartigen Viren der Angst, des Hasses, des Populismus und des Nationalismus. Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen