Zwei Kinder an der Fütterseer Krippe

Heiligabend in Füttersee: Ich habe ein Geschenk dabei. Ein Geschenk, das sich die Gemeinde Füttersee selbst macht. Denn vor einigen Jahren wurde der Wunsch laut: Wir wollen eine größere Krippe. Nun ist es das dritte Weihnachtsfest, wo dieser Wunsch nach und nach Wirklichkeit wird.

Vor zwei Jahren konnten wir die Heilige Familie auspacken.
Geschnitzt in der thüringischen Rhön in dem Holzschnitzerdorf Empfertshausen von Thomas Vogel. Es ist keine gewöhnliche Krippe, kein Stall, kein Ochse. Als Bett für das neugeborene Jesuskind dient nicht eine Futterkrippe, sondern ein Wurzelstock. Die Wurzel Isai’s. Isai war der Vater von David. Die Erzählungen von der Geburt Jesu greifen auf diese alte Verheißung zurück, dass aus dem Geschlecht Davids, aus der Wurzel Isais, ein neuer Sproß hervorgehen wird. „Jesus, Sohn Davids, erbarme dich meiner“, so werden sich Menschen später an Jesus wenden und ihn um Hilfe bitten.

Vor einem Jahr kamen Schafe, ein Esel und zwei Männer dazu:


Ein Flüchtling mit einem Wanderstab und einem Bündel mit Habseligkeiten. Der Flüchtling erinnert an Menschen, die heute unfreiwillig ihre Heimat und ihre Häuser verlassen mussten.
Von Jesus wird es ja dann auch erzählt, wie er vor der Gewalt des Herodes mit seinen Eltern nach Ägypten fliehen musste.
Wem fallen da nicht die Kindergesichter aus dem Gazastreifen ein, die dicht an dicht gedrängt auf der Straße ihre Hände nach Essen ausstrecken.


Und dann ein Mann mit einem Ball. Handball war seine Leidenschaft. Auch er kommt zu Jesus. Ihm will er treu sein, ihm dienen, so gut er kann.

Und nun kam am Mittwoch wieder ein Packet aus Empfertshausen.
Ich will es jetzt mit Ihnen zusammen auspacken…

Es sind zwei Kinder. Ein Junge und ein Mädchen.
Man kann sich mit ihnen anfreunden.
Man kann sich in ihnen selbst wiederfinden.
Ihre Augen sind nicht auf das Jesuskind gerichtet, wie es bei Krippenfiguren oft der Fall ist. Der Blick des Betrachters einer Krippenszene soll ja auf das Jesuskind gelenkt werden.
Hier ist das etwas anders dargestellt. Geheimnisvoller.


Der Junge hat die Augen geschlossen. Der Kopf ist leicht nach unten gesenkt. Ein Lachen steht in seinem Gesicht. Freude erfüllt ihn.
Denn er hat darf etwas Besonderes in Händen halten: Ein Tablett mit zwei Fischen.
Auf dem vorderen Fisch kann man die Buchstaben Ichthys lesen.
Das ist griechisch und heißt „Fisch“. Das Fischsymbol war ein geheimes Erkennungszeichen der ersten Christen.
Denn die Buchstaben des Wortes stehen für das Bekenntnis:
„Jesus Christus, Sohn Gottes, Retter.“
Nun wird auch klar, warum der Junge ein fröhliches Gesicht hat.
Er hat seinen Heiland, Retter und Erlöser gefunden. Er trägt ihn in und an sich.
Im Johannesevangelium (6,9) ist es ein Junge, der zwei Fische und fünf Brote zu Jesus bringt. Petrus sagt da zu Jesus: „Es ist ein Kind hier, das hat fünf Gerstenbrote und zwei Fische; aber was ist das für so viele.“ Jesus segnet dann die Brote und die Fische und lässt sie an die 5000 Menschen verteilen.
Und das Wunder geschieht: Alle werden satt.
Ein Kind, das irgendwie im Hintergrund bleibt, hat bei dem Ganzen eine entscheidende Rolle gespielt!

Das Mädchen ist ebenfalls leicht nach vorn gebeugt und hat auch die Augen geschlossen. Sein Kopf ist auf ein Gefäß mit fünf Broten gerichtet. Vorsichtig und behutsam schreitet es voran.
Kein Brot soll herunterfallen von der kostbaren Fracht, die nicht für sie bestimmt zu sein scheint. Sie ist dabei, das Brot anderen zu bringen.
Im Johannesevangelium folgt auf das Wunder der Brotvermehrung die sogenannte Brotrede Jesu. Darin sagt Jesus: „Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten.“
Für mich drückt der nach innen gerichtete Blick des Mädchens aus, dass das Mädchen den gefunden hat, der von sich sagt: Ich bin das Brot des Lebens. Ihre Sehnsucht ist gestillt.
Sie ist angekommen. Sie ist angenommen.
Wie es in dem Weihnachtslied heißt:
 „Wenn ich dies Wunder fassen will, so steht mein Geist vor Ehrfurcht still; er betet an und er ermisst, dass Gottes Lieb unendlich ist.“
Das Mädchen drückt eine tiefe Versenkung in das Wunder aus: Christus – Brot des Lebens – für mich – und für dich.
Eine dienende Haltung erkenne ich hier. Nicht das negative Klischee. Sondern einen gelebten Auftrag.
Manche werden schon erkannt haben: Das Mädchen hat eine Haube und die Tracht einer Diakonisse.
Den Holzschnitzer habe ich entsprechend gebeten, dem Mädchen eine Haube zu geben mit „schwarzer“ Tracht und weißem Kragen. Beim Nachlesen musste ich schmunzeln, weil klar war, dass das Holz ja nicht bemalt wird.  
Wie mit den anderen Figuren Erinnerungen an Gemeindeglieder verbunden sind, so auch mit dieser Diakonisse.
10 junge Frauen haben zwischen 1942 und 1961 für sich die Berufung erlebt, Hensoltshöher Schwester zu werden. Eine von ihnen ist Frieda Senft aus Sixtenberg. Sie hat mir einmal geschrieben:
„Der Herr hat uns den Weg geführt und nichts ist umsonst, was aus Liebe zu Jesus getan wird.“
Der Holzschnitzer Thomas Vogel kennt dieses Zitat nicht. Ich hab ihm nur ein Foto von Friedas älterer Schwester Käthe geschickt. Aber ich finde, er hat der jungen Diakonisse die Liebe zu Jesus in Herz und Sinn geschnitzt.  „Der Herr hat uns den Weg geführt und nichts ist umsonst, was aus Liebe zu Jesus getan wird.“
Sich von Jesus führen lassen. Ihm das Herz öffnen.
Ihm in den Menschen dienen. Wo das geschieht, ist Weihnachten.
Da kommt Gott in mir zur Welt.
„Du unser Heil und höchstes Gut, vereinest dich mit Fleisch und Blut, wirst unser Freund und Bruder hier, und Gottes Kinder werden wir.“

An diesem Weihnachtsfest darf es neu geschehen.
 
Gott bei uns und wir bei Gott.
Gott in uns und wir in Gott.
Darin liegt alles Heil der Welt.

Dieses spirituelle Geschehen merkt man diesen beiden Figuren an.
Sie sind verbunden mit Jesus Christus, dem Sohn Gottes, unserem Heiland und Retter, dem Brot des Lebens.
Ich werde diesen Jungen und das Mädchen gleich auf den Altar stellen zu den anderen Krippenfiguren.
Sie sind ein stilles Bekenntnis zum Heiland der Welt, durch den uns Gott ewiges Leben schenkt.
Was für ein Geschenk, welch große Freude!

Ich wünsche Ihnen ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest,

Hans Gernert